GU Liebevolle Gebote fuer ein erfuelltes Leben
Prinzessin überfahren worden. Neun Jahre war sie alt. In meinen Armen ist sie verblutet. Sie war der Stern meines Lebens. Danach habe ich angefangen, mehr als jemals zuvor zu trinken. Aber heute bin ich gekommen, um euch etwas zu erzählen. Eure Kinder sind kleine Engel geworden. Gestern haben sie mich vor einem Verbrechen bewahrt. Es ist wirklich ein Wunder passiert, Karoline ist meine Zeugin!«
Ich? Zeugin eines Wunders? Wovon redete Jorge nur? Die Geschichte, wie Jorge sein Töchterchen Maria verloren hatte, kannte ich natürlich. Aber jetzt hatte ich keine Ahnung, worum es ging. Da fuhr Jorge aber schon fort: »Ich war auf dem Weg. Ich wollte jemanden umbringen. Wir waren zu zweit, ich hatte ein Fleischermesser dabei. Wir wollten einen Mord begehen. Da erschienen mir eure Kinder, wie zwei Engel. Sie haben den Mord verhindert, mich davon abgehalten. Es war, als sagten sie: ›Jorge, es reicht, dass wir tot sind. Genug. Tu es nicht.‹«
Wir hielten alle den Atem an. Mir war jetzt einiges klar, auch warum Jorges Kumpel verhindern wollte, dass er in mein Auto einstieg.
»Und gerade als eure Kinder so zu mir sprachen, sah ich Karolines Auto. Ich bin hin, eingestiegen und habe ihr das Messer gegeben. Karoline, du bist meine Zeugin.«
Waffen am Altar
Ich nickte, stand auf und ging in unsere kleine Kapelle, zum Jesus am Kreuz. Das müsst ihr euch so vorstellen: Zusammen mit zwei anderen Schwestern wohne ich – damals wie heute – in einem kleinen Häuschen, ähnlich den meisten Häuschen in der Siedlung. Sobald man die Tür öffnet, steht man schon in dem einzigen richtigen Raum. Auch der ist klein, aber es ist immerhin Platz darin für einen großen Tisch, und wir sitzen dort zu vielen Gelegenheiten, so wie jetzt mit Luca und Flor. Im Anschluss an diesen Raum gibt es einen winzigen Flur. Im hinteren Teil ist unsere klitzekleine Küche, davor unser Kapellchen. Beides zusammen ist nicht größer als drei Quadratmeter. In dem Kapellchen befindet sich ein Kruzifix, ein Jesus am Kreuz. Aber es ist kein normales Kruzifix. Unser Jesus ist ein Torso, seine Arme hatte er schon verloren, als ich ihn geschenkt bekam. Auf den Boden vor diesem Kruzifix lege ich immer alles hin, was mir gegeben wird. Das waren im Lauf der Jahre schon viele Messer, Schlagringe, andere Waffen und Drogen. Viele junge Männer wollen aufhören, sei es mit Drogen oder mit kriminellen Geschichten. Und dann soll ich die Dinge für sie aufbewahren, damit sie nicht in Versuchung geraten. Von dort holte ich also das Fleischermesser und trug es zu den anderen. Die staunten. Luca und Flor hatten die Köpfe gehoben und sahen Jorge an.
Ich wusste und wir alle fühlten: Der Bann war gebrochen. Es war, als würde der Herzschlag bei den beiden wieder einsetzen, als würden sie wieder einatmen. Das Leben kehrte langsam zurück. Ich spürte deutlich: Gott würde den beiden wieder Kinder schenken, ihr Leben würde weitergehen. Und so kam es.
MEINE EINLADUNG AN DICH: VERZICHTE AUF RACHE
Mit einem Fleischermesser laufen wohl die wenigsten Menschen durch unsere Straßen, um etwas zu rächen. Doch im übertragenen Sinn, immer bereit, in der passenden Situation endlich zustechen zu können, haben viele ein Messer parat.
Welches »Messer« kannst du abgeben?
Bei welchem Konflikt in deinem Leben hast du das Gefühl: Die Rechnung ist noch nicht beglichen. Rufe dir Situationen ins Gedächtnis, in denen dir regelmäßig »das Messer in der Tasche aufgeht«. Suche dann nach dem Grund dafür.
Das Messer abgeben heißt: auf Rache – auch in Gedanken – zu verzichten und auszusteigen aus dem Kreislauf der Eskalation.
Denke auch in größeren Zeiträumen
Stell dir vor, jemand hat alles probiert: den Nachbarn freundlich angesprochen. Ihn schriftlich erinnert. Ein Anwaltsschreiben geschickt. Aber nichts passiert. Der Nachbar schneidet die Bäume, die mittlerweile weit in das andere Grundstück ragen, einfach nicht zurück. Es macht den Betroffenen rasend: Zwei Drittel der Zeit, in der er in der Sonne sitzen könnte, sind im wahrsten Sinn des Wortes überschattet. Das Messer herausholen hieße in dem Fall, mit der Heckensäge selbst Hand anzulegen. Der Konflikt würde so eskalieren. Stattdessen könnte er weiter eine friedliche Lösung suchen, auch wenn sie erst nach längerer Zeit Früchte trüge.
Es kann hier schon helfen, die Geschichte einfach einmal weiterzudenken: Wie entwickelt sich das Leben, wenn ich wirklich zur Heckensäge greife? Wie erträglich ist mein Alltag
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