GU Liebevolle Gebote fuer ein erfuelltes Leben
erst weggehen von dieser Erde, wenn du verzeihst. Ich kann dir nichts anderes sagen. Das ist unheimlich schwer, ich kann dich verstehen. Weißt du, vielleicht trauen sie sich nicht zu kommen. Aber wir können beten um Gottes Kraft, damit Licht komme in deine Seele.« Und das taten wir dann auch. Ich spürte, dass in meinen Besuchen ein enormer Trost für die kleine Familie lag.
Fürs Erste: Frieden
Eines Morgens saßen wir beim Frühgebet, da wurde ich zu Alfredo gerufen. Am Vortag war ich noch dort gewesen. Auf dem Weg zu ihm rannte ich und mir flog ein Lied zu: » Dios está aquí. Gott ist hier / näher als die Morgenröte, die aufgeht / näher als die Luft, die du einatmest / näher als das Lied, das du hörst.«
Als ich so singend ankam, raunte mir jemand zu: »Seine erste Frau ist heute Nacht gekommen.« Ich riss die Tür auf, und weil das Zimmer so klein war, stand ich auch schon am Fußende des Bettes – das Zimmer war hell, anscheinend hatte Alfredo nun doch erlaubt, dass das Licht herein durfte – und ich sang: »Dios está aquí …«
Alfredo schaute mich an, machte mit der Hand eine leichte Bewegung in Richtung des Fensters, flüsterte dazu »schhhh«, zwinkerte mit einem Auge, hauchte erneut »schhhh«, und ich spürte förmlich, wie seine Seele den welken Leib verließ.
Im ganzen Haus war ein unendlicher Friede und ich wusste sofort: Alfredo hatte verziehen. Er hatte seinen Frieden gefunden. Die erste Frau war anwesend, zusammen mit allen Kindern – mit Ausnahme eines Sohnes, der gerade in Argentinien war –, und ebenso die zweite Frau mit dem gemeinsamen Sohn.
Die erste Frau wollte nun, dass Alfredo bei ihr zu Hause aufgebahrt würde. Was für eine Großmütigkeit wurde da von Juana verlangt, die damit auf die Ehre der Totenwache in ihrem Haus verzichtete! Schließlich durfte sie das andere Haus nicht betreten! So waren die Sitten damals in Chile. Man konnte sich noch nicht einmal scheiden lassen. Und Juana hatte auch keinerlei Anspruch auf das Erbe.
Dennoch stimmte Juana zu, dass der Leichnam in das andere Haus getragen wurde. Ich bekam das mit und schlug eine große Abschiedsfeier in der Kirche vor. Es war Sommer und so musste alles schnell gehen. Wir vereinbarten, dass der Tote um 14 Uhr in unsere Kirche gebracht wurde. So konnte auch Juana Abschied nehmen. Aber vor allem wollte ich die Versöhnung vorantreiben.
Wir bereiteten alles für eine schöne Feier vor und läuteten um zwei Uhr die Glocken. Es passierte nichts. Halb drei, immer noch nichts. Viertel vor drei. Nichts. Drei Uhr. Einer der Söhne kam in mein Haus. Es tue ihm leid, der Vater könne nicht in die Kirche gebracht werden. Der Leichnam sei schon am Verwesen, er müsse direkt vom Haus auf den Friedhof gebracht werden. Draußen war eine fürchterliche Hitze – was den Verwesungsprozess beschleunigte –, das war wohl wahr. Aber ich wusste, dass hier ein böses Spiel getrieben wurde. Die erste Familie wollte die zweite Frau ausschließen.
Oh, wie wurde ich wütend! »Das ist ein Verrat, den ihr hier begeht. Ihr haltet euch nicht an unsere Vereinbarung! Das lasse ich nicht zu. Ihr bringt sofort den Vater her, sofort sage ich! Da gibt es gar nichts.« Zornig funkelte ich ihn an: »Sofort!« So konnten wir mit viel Verspätung in der Gemeinde eine wunderschöne Trauerfeier abhalten. Und was mir so wichtig war: Juana war mit ihrem Sohn dabei. In der Kirche war das, anders als im Haus der ersten Frau, möglich.
Alfredos Nachlass
Gemeinsam versuchten wir, auch für das Erbe eine Lösung zu finden. Die erste Frau konnte sich zwar nicht vorstellen, ihre Rente zu teilen, und auch nicht, Juana Kleidung und Schuhe, die diese in ihrer materiellen Not gebraucht hätte, zu überlassen. Wenigstens gelang es uns, dass die Dinge im Einverständnis mit der ersten Frau an andere Arme weitergegeben werden durften.
Einige Zeit später kam Juana noch einmal zu mir, um sich zu bedanken. Und zu erzählen: Sie spüre Alfredos Hilfe aus einer anderen Welt. Ihr Sohn hatte Arbeit gefunden. Und mit seinem Lohn konnten sie beide gut leben.
MEINE EINLADUNG AN DICH: VERGIB UNRECHT
Viele Menschen kommen nicht über Verletzungen hinweg, unabhängig davon, wie lange diese zurückliegen, und können nicht verzeihen. So verhängen sie ihr Herz mit dunklen Tüchern. Auch Alfredo brauchte lange Zeit, bis er verzeihen konnte – Jahre und Jahrzehnte! Aber am Ende hat er es dann doch getan.
Verzeihen befreit
»Das werde ich nie verzeihen.« Wenn du ein
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