Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
vergessen. Ich bin durchgedreht. Ich wollte, dass du … nur noch ein letztes Mal … ich …«
Er ließ sie ganz los und trat zurück.
»Nein«, sagte sie und rang um Fassung im wilden Strudel der Gefühle. »Es geht dabei nicht um dich. Du hast mich nicht …«
»Doch. Gerade eben.«
»Nein«, beharrte sie. »Wenn ich es gewollt hätte, hättest du aufgehört. Das weiß ich.«
»Hätte ich. Ich würde dir niemals wehtun wollen. Ich würde nie …« Er blies konsterniert den Atem aus. »Nicht körperlich, und nicht mit Absicht.«
»Ich weiß.« Sie legte die verschwitzten Hände flach auf den Spiegel, um sich Halt zu verschaffen, und sah ihm in die Augen. »Und das ist nur einer der Gründe, warum ich dich liebe«, sagte sie schlicht.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, flüsterte er. »Ich … ich kann nicht.« Schmerz verzerrte sein Gesicht. »Ich will ja, Vivi, aber ich … kann nicht.«
»Das ist sehr schade«, sagte sie sanft, und der erwartete Schmerz gab ihr Herz frei. »Ich kann nämlich. Jetzt kann ich lieben und geliebt werden. Und das, Colton Lang, ist das wahre Geschenk, das du mir gemacht hast. Nach all diesen Jahren will ich endlich lieben und geliebt werden. Von dir. Und du hast Liebe verdient. Wirklich.«
»Ich …« Er streckte die Hand aus, als wolle er sie berühren, aber er war schon zu weit weg. Schon mit einem Fuß aus der Tür. Schon auf der Flucht vor dem Schmerz, den er vielleicht niemals verspüren würde. »Ich will, aber …«
Er fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar, und seine Augen waren tränenfeucht.
»Wenn du willst …«, sagte sie. »Dann kannst du auch.«
»Ich kann nicht.« Er zog den Reißverschluss seiner Hose hoch und wich einen Schritt zurück. »Ich will, aber ich kann nicht.«
Und dann war er fort, er ließ seine zu einem kleinen Berg aufgeschichtete Kleidung auf der Liege ebenso zurück wie Vivi, die sich immer noch gegen den Spiegel lehnte.
Sie schloss die Augen und rührte sich nicht, bis sie hörte, wie er das Zimmer verließ und die Tür mit einem lauten Klicken hinter ihm ins Schloss fiel. Sie ließ ihren Körper an dem Spiegelglas hinuntergleiten und landete mit einem Seufzer auf dem Boden.
Sie griff nach seinem Golfhemd auf der Liege und führte es an ihr Gesicht.
Und endlich, endlich weinte sie.
23
Vivi stand unter der Dusche, bis das Wasser kalt wurde. Bis der eisige Strahl jeden Rest der salzigen Tränen fortgespült hatte.
Ab jetzt kein Weinen mehr.
Als sie den Hahn zugedreht hatte, griff sie sich ein Handtuch, trocknete sich das Gesicht ab und nahm einen tiefen, befreienden Atemzug. Sie brauchte jetzt einen klaren Kopf. Sie hatte einen Job zu erledigen, eine Firma zu leiten, eine Adoptivfamilie, die ihr all die Liebe und Unterstützung gab, die sie bitter nötig hatte.
Und sie würde sich um Souvanna kümmern. Sie zurück nach Laos begleiten, wenn das Mädchen das wollte. Ihr Geld geben. Ihr Liebe zeigen. Sie vielleicht sogar adoptieren.
Von dieser Idee beflügelt, ging sie nach unten, nicht überrascht, festzustellen, dass alles, was an Lang erinnerte, eingepackt und verschwunden war. Selbst die Küche war leer und das ganze Haus unnatürlich still, jetzt wo die FBI-Agenten weg waren.
Die halbe Welt wusste, dass Cara Ferrari im Krankenhaus lag, die Gefahr, dass ein Oscar-Mörder zuschlug, war also gering bis nicht vorhanden. Vor allem, seit Joellen zur Verdächtigen Nummer eins aufgestiegen war.
Nur Stella war zurückgeblieben, lag flach auf dem Fliesenboden und sah tieftraurig aus.
»Ich weiß, wie sehr es wehtut, Stell«, sagte Vivi, als sie einen Schritt über den kleinen Hund machte, um in die Küche zu gehen. Sie blieb stehen und bückte sich, um Stella am Kopf zu kraulen. »Golftyp hat das Gebäude verlassen.«
Stella stieß einen Seufzer aus und drehte den Kopf weg.
Irgendwas war anders. Die Schiebetür zur Terrasse stand offen – das war es. Die Vorhänge, die normalerweise zugezogen waren und das meiste Sonnenlicht aussperrten, waren zurückgeschoben und die Schiebetüren weit geöffnet.
»Mercedes?«, rief Vivi und trat hinaus.
Sie stand in der frühlingshaften Sonne und starrte geradeaus. »Es ist warm für März«, sagte Mercedes, ohne sich umzudrehen.
»Ja.« Vivi machte behutsam ein paar Schritte vorwärts. Sie wollte den Bann nicht brechen, mochte aber auch nicht im Haus bleiben. »Geht es Ihnen gut?«
Mercedes nickte, dann hob sie ihr Gesicht ins Sonnenlicht und schloss die Augen. »Ich wollte es mal
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