Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)
seinem Wohnzimmer in den Fernseher starrte, auf dem die Fox News liefen. Neben der alten Dame auf dem Sofa schlief ein kleiner Yorkshire Terrier. Dann warf Levon einen Blick auf die obere Wohnung und war sich relativ sicher, dass sie leer war. Relativ.
Denn wer würde schon zu Hause rumsitzen und darauf warten, dass ein Killer vorbeischaute und sein Ding durchzog? Verständlich, dass Miss Samantha Fairchild sich versteckte. Was ihm viel Zeit verschaffte, ein paar Nachforschungen zu betreiben. Denn je mehr er über ein Opfer wusste, desto leichter war es, seinen Job zu machen, ohne auch nur den kleinsten Beweis zurückzulassen.
Deswegen war er der Zar.
Er ging seine Möglichkeiten durch. Irgendwann musste der Hund pinkeln, also würde Herrchen oder Frauchen wahrscheinlich früher oder später rauskommen und die Vordertür zum Gebäude offenlassen. Levon konnte sich vielleicht hineinschleichen, die Treppen hochlaufen und in die obere Wohnung einbrechen. Aber das war für seinen Geschmack ein kleines bisschen zu riskant.
Nachdem er das Gebäude umrundet hatte, beschloss er, dass es das Beste war, von hinten einzusteigen. Er würde ein wenig klettern müssen, aber er konnte da hinaufgelangen. Trotzdem wartete er, bis der Hund vom Sofa sprang und der Mann murrend aufstand.
Im selben Augenblick lief er schnell nach hinten, nahm den Balkon ins Visier und überlegte, wie er am besten dort hinaufkam.
Was ihm in kürzester Zeit gelang, und er schaffte es gerade noch, vom nach hinten gehenden Fenster zu verschwinden, als das Licht im Badezimmer anging. Er musste ein paar Sekunden verharren, während Frauchen sich erleichterte, dann verließ sie den Raum, und er nutzte die Chance, ein bisschen Lärm zu machen und sich an der Regenrinne zu Samantha Fairchilds Hintertür hochzuziehen.
Sie hatte die Kette nicht vorgelegt – noch ein Zeichen, dass sie nicht zu Hause war. In nicht mal drei Minuten hatte er das Schloss geknackt und ließ keinerlei Spuren zurück, die darauf hindeuteten, dass etwas anderes als ein Schlüssel im Spiel gewesen war. Er öffnete die Tür vorsichtig, für den Fall, dass es eine Alarmanlage gab, die eine sofortige Flucht nötig machte.
Stille.
Er schlüpfte hinein, sah sich um und bewegte sich verstohlen zur vorderen Tür, die ebenfalls nicht verriegelt war. Und, ach, war das niedlich. Sie hatte eine Pflanze an die Tür gestellt, so dass sie die verstreute Erde sehen würde, wenn jemand hereinkam und sie umwarf.
Also hatte sie Angst. Und war auf der Hut. Das würde es schwieriger machen, aber nicht unmöglich. Ms Fairchild zu finden, war lächerlich einfach gewesen. Sie umzubringen, würde auch leicht sein. Er zog es vor, es nicht bei ihr zu Hause zu tun – oder jedenfalls nur, falls das wirklich sinnvoll war. Aber die Vorgehensweise des Zaren war es, seine Arbeit immer an einem möglichst belebten Ort zu machen. Zum Beispiel in einem vollen Restaurant am Samstagabend, wo es so viele mögliche Verdächtige gab.
Und möglichst ohne Zeugen. Dummerweise hatte diese Zeugin hier sein Leben und seinen Job verkompliziert, also musste sie sterben. Aber zunächst mal brauchte er Informationen über sein Opfer.
Er stand im Wohnzimmer und ließ es auf sich wirken, während seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Er studierte das Bücherregal – immer eine gute Möglichkeit, etwas über eine Person zu erfahren. Sie hatte was für Justizthriller übrig – daher vermutlich der Trick mit der Pflanze – und für Liebesgeschichten. Ein paar Familienfotos, Mom und Dad, zwei wesentlich ältere Brüder. Keine eigene Familie.
Ach, sieh da. Ein ganzes Regal voller juristischer Werke. Die Justiz überleben … Zu Unrecht verurteilt … Wenn die Justiz sich irrt … Wahre Geschichten falscher Geständnisse. Es mussten ungefähr zwanzig Bücher mit demselben Thema sein.
Levon blickte sich um, ignorierte die schlichte, gemütliche Einrichtung und ging in den Flur, der zum Schlafzimmer führte. Es gab eine Art Arbeits-Gäste-Abstell-Raum und … noch mehr Bücher über das Rechtssystem. An der Pinnwand, ganz vorne in der Mitte, hing ein Brief von der Harvard Law School.
Liebe Ms Fairchild … herzlichen Glückwunsch, Sie wurden angenommen …
Wie schön für sie.
Neben dem Aufnahmeschreiben ein vergilbter Zeitungsausschnitt mit dem Bild eines Schwarzen, rechts und links von ihm eine Frau und ein Mann. Er überflog die Bildunterschrift. William Shawkins, nach zehn Jahren Gefängnis freigesprochen … sein
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