Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
impulsives Naturell hat.«
»Versprich es mir, Devyn. Du bleibst mucksmäuschenstill und in deinem Versteck, okay?«
Sie lächelte wenig begeistert, in ihrer Halsmuskulatur zuckte es. »Okay, versprochen.«
Er sah sie eindringlich an. »Versprochen ist versprochen.«
Etwas in ihrem Gesichtsausdruck ließ seinen festen Vorsatz, sie nicht zu küssen, dahinschmelzen wie Butter in der Sonne. Er konnte nicht widerstehen und hauchte ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund. Der bloße Kontakt mit ihren Lippen weckte in Marc den Wunsch nach mehr. »Los, ab mit dir. Lass uns ein paar Sünder in Heilige verwandeln.«
Sie schlüpfte durch die schmale Öffnung, und er hörte ihre Schritte auf der Treppe, die nach oben in den Glockenturm führte.
Die Augen auf die Seite mit den Buchstaben fixiert, umschloss er mit den Händen das Seil und riss energisch daran, in der Erwartung, dass es schwerer wäre, und der Schlag des Klöppels auf das Metall erzeugte einen kraftvollen Ton, sodass der ganze Raum zu vibrieren schien.
Während der Nachhall allmählich schwächer wurde, zog er das nächste Seil. Und so fort. Als das dritte Fis verklang, wurde eine Melodie erkennbar. Irgendwo in der Ferne hörte Marc eine Tür schlagen – das Echo hallte von den Steinen bis hinauf in die kleine Kammer.
Er griff intuitiv nach seiner Waffe, drehte sich mit dem Gesicht ruckartig zur Tür und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Er riss noch einmal an einem der Seile und hoffte inständig, dass Devyns Ohren eine Menge aushielten, denn wenn es hier schon ohrenbetäubend laut war, musste es da oben mörderisch unangenehm sein.
Und wenn sein Besucher ihn hier nicht haben wollte, konnte es hier drinnen ebenfalls mörderisch unangenehm werden.
Noch zwei Noten, dann war Stille. Kein Schritt quietschte auf der Holztreppe, niemand tauchte auf, kein verräterisches Pistolenklicken.
Und dann brach die Hölle los.
20
Als das Glockengeläut gerade aufgehört hatte, dröhnend in ihrem Kopf nachzuhallen, brach mit einem Mal ohrenbetäubendes Pistolenfeuer aus. Ein Schuss erschallte, dann noch einer. Und noch einer. Devyn hechtete zu der kalten Steinmauer der Glockenkammer, und ihr Herz schlug mit derselben Heftigkeit gegen ihre Rippen wie eben noch der Klöppel gegen die Glocke.
Großer Gott, Marc war fünf Meter unter ihr in eine Schießerei geraten.
Als die Schüsse aufgehört hatten, blieb sie für einen Moment wie erstarrt stehen, wartete auf ein Geräusch, Gesprächsfetzen, irgendeine Art von Austausch, doch unten blieb es totenstill. An eine Wand des Gewölberondells gepresst, blinzelte Devyn, um ihre Augen an die Dunkelheit in dem fensterlosen Turm zu gewöhnen. Schattenhaft konnte sie die Umrisse der Glocken ausmachen, nicht annähernd so gewaltig, wie sie sich anhörten, und aus dickem Metall gegossen. Über ihr gab es noch ein weiteres Geschoss, das man über eine mit Bolzen an der Wand befestigte Leiter erreichte.
Staub kitzelte ihr in der Nase, und sie presste vorsichtshalber eine Hand auf ihren Mund. Bloß jetzt nicht niesen und damit ihr Versteck verraten. Sie fuhr zusammen, als krachend ein weiterer Schuss losging, dann ein schlurfender Schritt – gefolgt von bleierner Stille.
Fragen schrillten in ihrem Kopf, eine davon lauter als alle anderen: War Marc etwa tödlich getroffen worden?
Versprochen ist versprochen.
Die Angst um Marcs Leben vermischte sich mit nagenden Schuldgefühlen. Sie hatte Informationen vernichtet, die sie ihm versprochen hatte, als Gegenleistung für seine Hilfe. Und er? Riskierte gerade sein Leben, um ihres zu retten.
Sie atmete lautlos, lauschte, wartete. Beim nächsten Schuss würde sie aktiv werden, schwor sie sich. Wenn es noch einen nächsten Schuss gab.
Zwei Herzschläge, vier, und dann … ein weiterer Knall zerriss die Luft. Augenblicklich raste sie auf die Glocken los, nutzte eine zweite Detonation, um ihre eigenen Geräusche zu überdecken, und blieb an der nächstgelegenen Glocke stehen.
Die Glocke war nicht ganz so groß wie sie, aber ungeheuer wuchtig und hing etwa sechzig Zentimeter über dem Boden. Darunter war ein Loch mit einem Radius von etwa einem halben Meter in den Holzboden geschnitten. Devyn beugte sich ganz vorsichtig vor, um keinen Lärm zu machen, und versuchte durch das kreisrunde Loch zu blicken.
Dummerweise war es nicht bloß ein Holzboden, nein, es waren zwei mit etwa dreißig Zentimeter Zwischenraum dazwischen, wahrscheinlich so gebaut, um den Klang zu schlucken. Sie
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