Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
wohl, anders als im Europa, einem großen, unpersönlichen Hotelklotz.
Und Marc Rossi war dort.
Im Kamin knisterte ein Feuer, Wortfetzen und gedämpftes Lachen wehten aus dem netten kleinen Restaurant-Pub zu ihr herüber, wo sie heute zu Abend essen würde.
Allein.
Sie bog um die Ecke und stieg die Holztreppe zum ersten Stock hinauf, lief den schmalen Flur entlang zu ihrem Zimmer, fest entschlossen, sämtliche Spekulationen in den Wind zu schießen und sich auf das wirklich Wesentliche zu konzentrieren.
Heute Abend wollte sie sich mit den paar wenigen Unterlagen beschäftigen, die sie aus Sharons Arbeitszimmer mitgenommen hatte. Vielleicht kam ihr dann die Erleuchtung, seufzte sie. Wenn sie doch bloß einen Computer und Internet hätte, dann ließe sich wahrscheinlich leichter herausfinden, was genau die fragliche Zeichnung darstellte, und möglicherweise auch, wer Sharon die E-Mail geschickt hatte, von wegen Abholung am Flughafen und so.
Marc Rossi hatte wahrscheinlich einen Laptop dabei.
Wenn du irgendwas brauchst, frag mich einfach.
Den Laptop hätte sie jetzt gut gebrauchen können. Und nicht bloß den. Ehrlich gesagt war sie an allem interessiert, was dieser Mann zu bieten hatte. Allerdings bezweifelte sie, dass er weiter so freigiebig und freundlich sein würde, wenn er erst die Wahrheit wusste. Er würde sich vermutlich so ähnlich verhalten wie Joshua oder ihre Eltern, Menschen, die sie geliebt und denen sie vertraut hatte, und die dennoch dauernd auf Devyns Gefühlen herumtrampelten.
Und was war mit Sharon Greenberg, die Devyns Namen kannte und Fotos von ihr aufgehoben hatte? Mit der Telefonnummer ihres leiblichen Vaters auf der Rückseite?
Die Erkenntnis war wie ein schmerzhafter Stich mitten ins Herz. Warum hatte Sharon Devyn nie aus den Augen verloren? Aus Sorge? Schuldbewusstsein? Neugierde? Liebe?
Sie rammte ärgerlich den Schlüssel in das Türschloss, als wollte sie letzteren Gedanken brutal abwürgen. Eine kindische Fantasie ohne jede Grundlage. Wenn Sharon ihre Tochter liebte, die sie damals zur Adoption freigegeben hatte, hätte sie inzwischen mit Sicherheit Kontakt zu ihr aufgenommen.
Im Zimmer zog sie ihre Jacke aus und begann, sich die Bluse aufzuknöpfen, und der vertraute Kampf tobte so laut in ihrem Kopf, dass sie den Schritten vor ihrem Zimmer keine Beachtung schenkte. Als es leise an die Tür klopfte, verharrte sie mitten im Knöpfen.
Es klopfte noch mal. »Devyn?«
Oh. Er war zurückgekommen. Sie musste unwillkürlich lächeln, denn tief in ihrem Innern wollte sie all das, was sie bewegte, mit jemandem teilen. Mit Marc.
»Eins muss ich dir lassen«, sagte sie und ging zur Tür, »hartnäckig bist du.«
Eine Hand auf der Türklinke blickte sie auf ihre aufgeknöpfte Bluse hinunter. Irgendetwas hielt sie davon ab, sie wieder zuzuknöpfen und ihm den Blick auf einen Hauch von Spitze und ein verführerisches Dekolleté zu versagen. Irgendetwas? Wie wär’s mit lockender Versuchung ?
Es gab keinen Spion in der Tür, sonst hätte sie nachgesehen, ob er ebenfalls lächelte. Stattdessen schloss sie auf, schob den Sicherheitsriegel beiseite, worauf die Tür ihr buchstäblich entgegenschlug. Devyn stolperte entgeistert zurück.
Ihr blieb die Luft weg, als ein Mann hereinkam, über dem Gesicht eine Maske.
»Oh mein Gott«, rief sie und blinzelte den Eindringling ungläubig an.
Er war groß, kräftig gebaut und stürzte sich unversehens auf sie. Sie wollte schreien, doch er presste ihr eine Hand aufs Gesicht, wirbelte sie herum und drehte ihr den Arm so brutal auf den Rücken, dass ihr Schultergelenk leise knackte.
Sie konnte seinen heißen Atem an ihrem Ohr spüren, als er sie schmerzhaft in den Schwitzkasten nahm, und registrierte seinen unangenehm säuerlichen Mundgeruch.
»Verschwinde von hier. Kapiert? Hau ab!«
Wie hatte sie bloß denken können, es wäre Marc? Dieser Mann hatte einen starken Akzent. War er Ire? Oder Engländer? Auf jeden Fall war er ein gewalttätiger Idiot.
Sie versuchte abermals, laut loszukreischen, doch seine Hand erstickte ihren Schrei.
»Verschwinde, oder es wird dir noch leidtun.« Er ließ sie los und stieß sie mit einer solchen Wucht von sich, dass ihre Knie einknickten und sie zu Boden prallte. Wie gelähmt blieb sie liegen, zusammengekauert und nicht in der Lage, sich umzudrehen und ihn anzusehen. Stattdessen wartete sie auf den Horror, der noch kommen würde – Schläge, Tritte, weitere Drohungen.
Doch die Tür knallte hinter ihr zu, und
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