Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
berühmten Friedhofs. Nachts war Milltown für Besucher geschlossen, denn die Touristen kamen gern her, um an den Heldendenkmälern vorbeizuflanieren und berühmte Namen zu flüstern, als wären es die von Heiligen und Märtyrern. Der Friedhof wurde nämlich jede Nacht abgeschlossen, um Vandalen fernzuhalten, die sich von Shankill herschlichen, um die Gräber der getöteten Rebellen mit Graffitis zu besprühen oder zu verwüsten. Aber auch nachts gab es etliche Wege, um zu den Tausenden von Grabstätten zu gelangen.
Gleichwohl würde sich niemand dazu hinreißen lassen, die Grabstätte von Colleen Baird zu verwüsten, weder heute noch in irgendeiner anderen Nacht. Niemand kroch freiwillig durch Brombeergestrüpp und scharfkantige Steine oder verirrte sich in den Bereich der »Unbedeutenden«. Besucher kamen nach Milltown, um voller Ehrfurcht an den Gräbern von Männern zu stehen, die als »politische Gefangene« gestorben waren, statt als Dissidenten der Bedeutungslosigkeit anheimzufallen.
Ein solches Schicksal wollte Liam sich ersparen. Er wollte Geld verdienen, viel Geld. Mit Geld konnte man alles kaufen, selbst …
Sein Blick wurde abermals vom Grab seiner Mutter angezogen. Das Erste, was er tun wollte, war, ein Grabmonument für sie zu errichten.
Und wenn die smarte amerikanische Wissenschaftlerin so geldgierig war, wie er hoffte, dann war sie bestimmt manipulierbar und hielt das Ticket zu den astronomischen Summen, die ihm vorschwebten, in der Hand.
Sein Geschäft mit den jungen Kerlen, die darauf brannten, so zu sein wie schon ihre Väter und Onkel, die für die Sache der Republikaner ihr Leben gelassen hatten, lief zwar gut, aber das reichte Liam nicht. Er wollte noch erfolgreicher sein.
Seine Jungs waren zu allem bereit: Sie pressten anderen Schutzgelder ab, dealten mit Drogen, verkauften Frauen in die Prostitution. Ihnen gefiel das Schmutzige daran, denn diesen Maurern und Hüttenarbeitern, Klempnern und Metzgern und Katholiken der Arbeiterklasse fehlte in ihrem eintönigen Leben der Nervenkitzel und die Leidenschaft für ihre Sache, seit in Nordirland Frieden herrschte. Sie brauchten ein Ventil, und Liam lieferte ihnen eins, indem er ihrem perversen Tun einen politischen Anstrich verpasste, um die Taten zu rechtfertigen, und sich das Geld in die eigene Tasche steckte.
Gleichwohl gab es immer noch mehr Geld, das man einsacken konnte.
Er checkte sein Handy, das längst hätte klingeln müssen, denn die verabredete Zeit für das Gespräch war mittlerweile verstrichen. In Pakistan konnte es jedoch schwierig sein, ein Satellitensignal zu empfangen. Insbesondere in einer Höhle.
Unvermittelt begann das Telefon zu vibrieren, doch der angezeigte Anrufer war nicht der erwartete.
»Hast du sie, Danny?«, fragte er ohne Begrüßung.
»Hier ist Magee. Danny wurde angeschossen.«
»Heilige Scheiße.«
»Er wird es überleben. Aber er muss zu Doc Russell.«
»Hat er sich die Frau geschnappt?«
Das kurze Zögern reichte als Antwort, und Liam unterdrückte einen finsteren Fluch.
»Er konnte ihr noch eine Warnung verpassen, bevor so ein Typ auf Danny geschossen hat«, sagte Magee. »Und ich bin sicher, dass sie jetzt die Biege macht.«
Das war ihm nicht genug. Er wollte wissen, wer diese gottverdammte Frau, die viel zu viele Fragen stellte, geschickt hatte. Und er wollte sie aufhalten, ehe sie die Falschen darauf aufmerksam machte, dass Dr. Greenberg hier war.
»Wo ist der Doc?«, fragte Liam. »Du darfst ihn unter gar keinen Umständen ins Krankenhaus bringen – sonst haben wir nachher noch die Bullen am Hals.«
»Ich treffe mich oben im Four Points mit ihm. Kommst du auch?«
»Mal sehen. Ich warte auf einen Anruf.« Er kochte innerlich. »Dieses Mädchen wird zu einem echten Problem. Wenn die Scheißengländer sie geschickt haben, werden wir denen eine astreine Nachricht verpassen.«
»Tja, das Mädel wäre heute Abend fast zu einer astreinen Nachricht geworden. Danny hat ihr ein Messer an die Kehle gehalten.«
»Hat er sie verletzt?«
Hinter ihm knarrte das Kiefernholz der obersten Treppenstufe unter dem Gewicht eines Fußes. Er drehte sich um und begegnete Dr. Greenbergs durchdringenden, zinngrauen Augen.
»Nein«, antwortete Magee. »Aber sie hat sich vor Angst fast in die Hose gemacht.«
»Umso besser. Wir wollen sie schließlich einschüchtern und mürbe machen.«
»Wir wollen, dass sie verschwindet «, korrigierte die Wissenschaftlerin ihn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was
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