Guardian Angelinos: Tödliche Vergangenheit (German Edition)
schlägst du vor, wie wir aus diesem Hotel rauskommen, ohne verfolgt oder womöglich umgelegt zu werden?«, hakte er sarkastisch nach.
Darauf wusste sie auch keine Antwort. In die Stille, die angesichts ihrer Gesprächspause entstand, mischte sich leise gedämpfte Hochzeitsmusik. Unvermittelt kam ihr die Lösung.
»Hast du was Schickes zum Anziehen dabei?«
Er runzelte verständnislos die Stirn, ehe sein Gesichtsausdruck zwischen Bewunderung und Resignation schwankte. »Ja, hab ich.«
15
Nichts an Oak Ridge Drive war irgendwie bemerkenswert. Viel Wald und Landschaft, der typische Mittelwesten. Hier und da ein bisschen Südstaatenflair in Form von roten Backsteinvillen und weißen Säulen. Ausgedehnte, wie mit der Nagelschere gestutzte Rasenflächen und wie mit Plätzchenformen ausgestochene Häuser, das eine oder andere Fahrrad in einer Einfahrt, Gärtner, die gerade Feierabend machten.
Sollte hier etwa irgendein durchgeknallter Typ hinter der nächsten Ecke lauern, um sie anzugreifen?
Das erschien Vivi ziemlich unwahrscheinlich.
Der Ort Raleigh war kaum anders als die ansprechenden Bostoner Vororte, wo sie im Alter von zehn Jahren gestrandet war, nachdem sie in Italien Waise geworden war. Nach der schlimmen Zeit war ihr Sudbury damals ein bisschen wie im Märchen vorgekommen, nicht so herzzerreißend schön wie ihr Heimatland, aber für sie war es … ein Zuhause.
Trotzdem hatte es auch Nachteile, in einem Vorort zu wohnen, und das war der Grund, weshalb Vivi schließlich zu einer Stadtratte geworden war. Sie hätte nie an einem Ort wie Oak Ridge Drive in Raleigh, North Carolina, leben können.
Sie fuhr mit dem Mietwagen bis zum Ende der Sackgasse und folgte den detaillierten Anweisungen, die Marc ihr gemailt hatte. Inklusive einer Warnung, dass das Haus bei Devyns Besuch nicht leer gewesen war.
Aber heute sah der geräumige Bungalow verlassen aus. Von der Universität hatte Vivi die Auskunft bekommen, dass Dr. Greenberg ein Sabbatical genommen hatte und sich auf einer Vortragsreise in Europa befand. Die Wissenschaftlerin hatte in diesem Semester keine Vorlesungen, und ihr Labor war geschlossen.
Vivi parkte am Straßenrand, ging schnurstracks auf die Haustür zu und wusste nicht wirklich, wonach sie eigentlich suchte – jedenfalls nach etwas Ungewöhnlichem. Nach ihrer jahrelangen Tätigkeit als Reporterin hatte sie ein ziemlich gutes Näschen dafür, Ungewöhnliches zu finden, vor allem, wenn es nicht gefunden werden wollte.
Im Garten breitete sich totes Herbstlaub wie ein trister brauner Teppich unter den allgegenwärtigen Eichen aus, denen die Straße ihren Namen zu verdanken hatte. Das Haus wirkte verlassen. Keine Post, keine Zeitungen, alle Fenster und Läden geschlossen, nichts regte sich.
Sie klingelte an der Tür, wartete, und nach ein paar Minuten und nochmaligem Klingeln ging sie um das Haus herum nach hinten und peilte unterwegs die Lage. Das letzte Mal, als sie in ein leeres Haus eingebrochen war, wäre sie dabei fast draufgegangen.
Aber dieses Mal war sie gewarnt und bewaffnet, also schritt sie mutig voran. Die rückwärtige Tür war verschlossen, aber nicht verriegelt. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie das einfache Schloss so leise wie irgend möglich mit dem Dietrich geöffnet hatte. Bevor sie hineinging, zog sie ihre Glock, entsicherte sie und betrat mit vorgehaltener Waffe die Küche.
Nachdem sie fünf Minuten lang bewegungslos dagestanden und auf Geräusche gelauscht hatte, war sie sich relativ sicher, dass sie allein war. Sie verriegelte die Tür hinter sich, damit ihr niemand ins Haus folgen konnte, dann horchte sie abermals, ob das leise knirschende Zuziehen der Tür irgendeine Reaktion auslöste. Nichts.
Sie stellte ihre Umhängetasche auf dem Boden ab und begann langsam und konzentriert mit ihrer Suche. Mit jedem Zimmer wuchs ihre Zuversicht, dass sie allein war. Doch obwohl sie buchstäblich jeden Quadratzentimeter von Sharon Greenbergs Leben durchkämmte, fand sie nichts besonders Außergewöhnliches. Die Frau mochte einen grünen Daumen haben, aber alle Pflanzen waren mittlerweile vertrocknet. Und sie pflegte offenbar keine familiären Beziehungen, denn im ganzen Haus gab es nicht ein persönliches Foto. Ein Workaholic, mutmaßte Vivi, da der größte Teil der Aktivitäten im Arbeitszimmer stattzufinden schien.
Der Raum sah genauso aus, wie Marc ihn nach Devyns Schilderungen beschrieben hatte: vollgestopft mit Akten, Zeitschriften und Papierkram.
Sie beendete ihre
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