Gucci, Glamour Und Champagner
paar Lagen Wimperntusche und großzügigem Pudern von Nase und Kinn war ich ganz vorzeigbar in Anbetracht der vielen Tränen, die ich zuvor vergossen hatte. Es war zwar noch nicht ganz dunkel, aber die Beleuchtung der schmalen, trüben Gassen von Hipsterville-en-France kam mir sehr entgegen und half mir, meine Verletzungen noch besser zu kaschieren.
Ich sprang aus dem Taxi, warf dem Fahrer genügend Geld hin, wie ich hoffte, und hielt dann Ausschau nach Virginie. Sie war nirgendwo zu sehen, doch gleich darauf entdeckte ich das Schild von L’Alimentation Générale, dem Ort, wo wir uns treffen wollten. Verärgert, weil man sich über mich und mein Schulfranzösisch lustig machte (es war überhaupt kein Gemischtwarenladen, sondern eine verdammte Szenebar – warum logen die Franzosen mich an?), ging ich hinein und suchte nach meiner neuen Freundin. Es war noch früh für einen Samstagabend, aber in der Bar war schon viel Betrieb, und die Musik war laut. Ich setzte mich an die Bar, bestellte wie alle anderen auch einen Mojito und drehte mich dann herum, damit ich Virginie nicht verpasste.
Die Bar gefiel mir und war wieder voll schöner Menschen, mehr noch, als ich an unserem ersten Abend im Café Charbon gesehen hatte. Der Raum war gleichermaßen cool und kitschig, mit Geschirrschränken an den Wänden und verrückten Lampenschirmen. Die Leute tanzten bereits und lachten, und ich lehnte mich lächelnd zurück, beobachtete sie schamlos und genoss die ansteckende Samstagabendstimmung. Es war schon verrückt, welche Klischees auf der Welt bedient wurden. New Yorker trugen alle schwarz und fanden es ganz normal, in Turnschuhen ins Büro zu laufen. Pariser rauchten alle und sahen aus wie Figuren aus Amélie . Aber meine wichtigste Beobachtung war die, dass die Leute in beiden Städten soffen wie die Löcher. Wobei man natürlich berücksichtigen musste, dass ich in beiden Ländern vielleicht einfach zu viel Zeit unter Hipstern verbrachte. Kein gesunder Zeitvertreib.
»Angela?«, rief eine Stimme von der Tür. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stellte, konnte ich gerade so eben die obere Hälfte von Virginies Kopf erkennen oder jedenfalls die riesige Schleife in Neonpink, mit der er geschmückt war. Sie hielt eine Hand hoch, während sie weiter in ihr kleines Telefon redete. Ich wedelte mit meinen Armen und rammte dabei mit meinem Ellbogen mindestens drei Leuten ins Auge. Virginie schob ihr Telefon in ihre Tasche, ließ ihren Blick durch die volle Bar schweifen und winkte mir dann zu, zu ihr nach draußen zu kommen.
»Es ist zu viel los«, erklärte sie nach einer knappen Umarmung und zwei flüchtigen Luftküssen. »Tut mir leid, ich bin eigentlich rechtzeitig gekommen, wurde dann aber aufgehalten.«
»Ist schon gut, lassen Sie uns woanders hingehen, wo es ein bisschen ruhiger ist«, sagte ich und hoffte, dass ich dabei nicht klang wie meine eigene Großmutter. »Später beim Gig wird es noch laut genug.« Schließlich wurde ich Patentante, da brauchte ich mein Gehör noch. Damit ich alles Heulen und Schreien meines zukünftigen Patenkindes mitbekam.
Wir liefen ein Stück die Straße hinunter, bis wir eine kleinere und weniger volle Bar fanden. Irgendwo ganz hinten, gefährlich nah an den Toiletten und Zigarettenautomaten, war noch ein winziger Tisch frei, an dem wir Platz nahmen.
»Ich gehe mal Wein holen«, verkündete Virginie und warf mir, bevor sie zur Theke ging, ihren Pullover in hellem Lila zu.
Ich konnte nicht anders, ich musste mir das Etikett ansehen. Sonia Rykiel, hübsch. Zwischen diesem Stück und den Louboutins lieferte Miss Virginie mir ihre modischen Vorlieben betreffend keinerlei Anhaltspunkte, aber wenn man bei einer Zeitschrift wie Belle arbeitete, musste man doch mal was aufschnappen, ob man nun Interesse hatte oder nicht. Noch vor einem Jahr hätte auch ich Probleme gehabt, ohne Blick aufs Preisschild den Unterschied zwischen Prada und Primark zu erkennen. Doch sie schien tatsächlich mit ihren Jeans und Ballerinas verheiratet zu sein, was auch der Grund dafür sein mochte, dass ich sie gern hatte.
Sie tauchte fast ebenso schnell, wie sie verschwunden war, wieder auf, in der einen Hand eine Flasche Rotwein, in der anderen zwei nicht ganz so saubere Gläser, aber der Örtlichkeit nach zu urteilen, sollte ich froh sein, dass wir nicht aus der Pulle trinken mussten. Ich stand auf Kellerbars und zwangloses Ambiente, aber der Ort hier war wirklich derb. Während Virginie den Wein einschenkte und
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