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Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht

Titel: Guido Guerrieri 01 - Reise in die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Juli vertagt.
    Die Sitzung ist geschlossen.
     
    Erst als die Richter den Saal verlassen hatten, öffnete ich die Augen und sah auf.
    Noch eine Woche bis zum Urteil. Wie immer es auch ausfallen würde.

14
    D ie folgende Woche verlief seltsam normal. Ich arbeitete normal, ging wie normal zu meinen Terminen, empfing Klienten, kassierte das ein oder andere Honorar – was nicht schadete – und tat, was man als Anwalt eben so tut.
    Um Abdous Prozess kümmerte ich mich nicht. Ich musste auf die Verbindungsdaten der Telecom warten, denn davon, was bei deren Auswertung herauskam, hing es ab, wie ich mein Schlussplädoyer gestalten würde. Bis dahin war es sinnlos, Akten zu wälzen oder mich darauf vorzubereiten.
    Donnerstagnachmittag rief mich Margherita auf dem Handy an. Wir hatten uns seit ihrer SMS von Sonntagabend nicht gehört. Ich hatte weder versucht, sie anzurufen, noch bei ihr zu klingeln. Warum, weiß ich nicht. Irgendetwas hatte mich davon abgehalten.
    Ob ich Lust hatte, nach dem Abendessen etwas mit ihr trinken zu gehen? Ja, hatte ich. Sollte ich an ihrer Wohnungstür läuten oder unten auf sie warten? Ach so, sie war unterwegs und wir konnten uns später irgendwo in der Stadt treffen. Ob es mir beim Fortino in der Via Venezia recht war? Ja, das war es. Also dann, bis später.
    Ihre Stimme hatte einen etwas seltsamen Klang, und das beunruhigte mich ein wenig.
    Der Nachmittag verging ab diesem Moment sehr langsam. Ich war unkonzentriert und sah ständig auf die Uhr.
    Gegen acht schloss ich die Kanzlei zu und ging nach Hause, duschte kurz, zog mich um und brach gleich wieder auf – lange vor unserer Verabredung. Irgendwie brachte ich die Zeit herum, gegen zehn schlug ich den Weg zum Fortino ein.
    Durch dichtes Menschengewühl ging ich die Via Venezia hinauf. Die Straße war wie an jedem Sommerabend sehr belebt: Horden von Jugendlichen zogen vorbei und verströmten ein Geruchspotpourri aus Deodorant, Sonnenmilch und Chlorophyll-Kaugummi, die ein oder andere Familie aus der Altstadt, der ein oder andere braun gebrannte Fünfziger mit Teenie-Freundin, in Parfumwolken gehüllt. Leute in meinem Alter sah ich fast keine. Ich fragte mich, woran das lag, aber nur, um meine Gedanken mit irgendetwas zu beschäftigen.
    Als ich beim Fortino ankam, war ich froh, dass ich es geschafft hatte, die Zeit herumzubringen, obwohl ich mindestens zehn Minuten zu früh dran war. An die alte Festungsmauer gelehnt, zündete ich mir eine Zigarette an und blickte mich um.
    Margherita kam zwanzig vor elf.
    »Entschuldige bitte. Ich hatte einen harten Tag in einer harten Woche. Und belassen wir es bei der Woche.«
    »Was ist passiert?«
    »Komm, lass uns ein paar Schritte laufen.«
    Wir schlenderten die Via Venezia in nördlicher Richtung hinauf. Je weiter wir uns von der Gegend um das Fortino entfernten, desto leerer wurde die Straße. Kleine Grüppchen, Paare, ein paar einsame Spaziergänger, uniformierte Polizisten auf Streife.
    Wir gingen schweigend nebeneinander her, bis wir zur Basilika von San Nicola kamen. Irgendwann begegnete uns ein Typ mit Kampfhund. Das Vieh blieb abrupt stehen, um an Margheritas Beinen zu schnüffeln, und sie blieb auch stehen, streckte die Hand nach ihm aus und streichelte seinen Kopf. Der Besitzer wunderte sich, dass seine Bestie sich so ohne weiteres von einer Fremden anfassen ließ. Es sei das erste Mal, dass so etwas vorkomme. Ob sie auch einen Hund habe? Früher mal, aber er war schon lange tot. Jetzt hatte sie keinen mehr.
    Hund und Herr gingen weiter, und wir setzten uns auf das Mäuerchen rechts von der Kirche.
    »Wie ist es dir in diesen Tagen ergangen? Was macht der Prozess?«
    »Es sieht nicht schlecht aus; nächsten Montag sind wir damit durch. Und du? Wie geht es dir?«, fragte ich vorsichtig.
    Sie ließ ein paar Sekunden verstreichen, dann begann sie zu sprechen, als hätte sie meine Frage überhört.
    »Wenn jemand mit dem Trinken aufgehört hat, besteht die Gefahr, dass er rückfällig wird, klar. Im Entzug lernt man, mit dieser Gefahr umzugehen. Sie ist im ersten Jahr nach der Entwöhnung am höchsten, aber auch danach keineswegs aus der Welt. Die Leute in der Klinik haben uns von früh bis spät eingebläut: Es wird Krisen geben, Momente, in denen ihr traurig seid, euch nach der Vergangenheit zurücksehnt und Angst vor der Zukunft habt. In diesen Momenten werdet ihr Lust haben zu trinken, und diese Lust wird euch unwiderstehlich erscheinen, sie wird euch überrollen wie eine Woge. Aber sie

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