Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Lino Banfi redete, gefragt, ob ich der Freund von Piero sei und...«
Sie brach in lautes, herzhaftes Gelächter aus, was mich überraschte, weil ich nicht den Eindruck hatte, etwas besonders Lustiges gesagt zu haben.
»Bei der Arbeit kamst du mir gar nicht so nett vor.« Sie lachte noch immer. »Eher wie einer von diesen Anwälten aus amerikanischen Filmen, von der Sorte effizient und knallhart.«
Effizient und knallhart. Das gefiel mir. Eigentlich wäre ich noch lieber »gut aussehend und knallhart« gewesen, etwa wie Tommy Lee Jones in Auf der Flucht, aber es war auch so okay.
Sie rauchte noch.
»Bist du mit dem Wagen gekommen?«
Nein, wo denkst du hin? Vom Stadtzentrum hierher sind es höchstens acht, neun Kilometer, und ich trainiere jeden Abend für den New-York-Marathon , musst du wissen. Deshalb bin ich natürlich gelaufen. Meinen Jogginganzug und die Sportschuhe habe ich an der Garderobe gelassen.
»Ja, sicher.«
»Ich bin hier eigentlich fertig. Aber ich hab kein Auto dabei, denn ich bin mit meinen Mitarbeitern im Lieferwagen gekommen. Wenn es dir nichts ausmacht, könntest du mich vielleicht nach Hause fahren.«
Ich meinte, nein, das würde mir nichts ausmachen. Bemüht, meine Überraschung zu verbergen. Sie bat mich, fünf Minuten zu warten, sie müsse sich nur rasch umziehen, ihren Mitarbeitern entsprechende Anweisung für den Abbau des Ganzen geben und sich von den Organisatoren des Abends verabschieden.
Ich blieb am Eingang und wartete dort auf sie, wobei mir der Bodybuilder Gesellschaft leistete. Er flüsterte ab und zu ein paar Worte in sein Mikrophon und schien im Übrigen damit beschäftigt, mit seinen Glotzaugen die Schwindel erregenden Tiefen des Nichts zu ergründen.
Es verging eine gute Viertelstunde, während der jede Menge Leute kamen und gingen. Eigentlich hätte ich mich fragen müssen, was ich hier suchte. Ich meine: Natsu war die Frau eines Mandanten, eines Mandanten, der obendrein im Gefängnis saß – was also hatte ich hier zu suchen? Aber ich hatte nicht die geringste Lust, mir diese Frage zu stellen.
Irgendwann kam Natsu wieder aus der Tür. Auch im Halbdunkel konnte ich erkennen, dass sie einen Teil der vergangenen fünfzehn oder auch mehr Minuten damit verbracht hatte, sich herzurichten. Sich zu schminken und zu kämmen.
»Gehen wir?«, sagte sie.
»Gehen wir«, antwortete ich.
14
W ir fuhren rasch auf den Ring. Während wir in die Auffahrt einbogen, drangen aus dem CD-Player die elektronischen Klänge von Boulevard of broken dreams , Green Day.
Ich sagte mir, ich sei ein Idiot, der nicht wusste, was er tat. Ich hielt mir vor, die vierzig überschritten zu haben, bei Weitem überschritten zu haben, und mich aufzuführen wie ein Vollidiot, verantwortungslos und niederträchtig.
Bring sie auf der Stelle nach Hause, verabschiede dich höflich und geh schlafen.
»Fahren wir ein wenig spazieren?«, fragte ich.
Sie antwortete nicht gleich, so, als sei sie hin und her gerissen und wäge ab. Schließlich warf sie einen Blick auf die Uhr und antwortete mir.
»Ich habe nicht viel Zeit, höchstens eine halbe Stunde. Die Babysitterin wartet auf mich; ich hab ihr versprochen, dass ich bis eins zurück bin. Sie studiert und hat morgen Vorlesung.«
Kapiert, Idiot? Sie muss nach Hause zu ihrem Kind, weil sie nämlich eine verheiratete Frau ist, mit einer kleinen Tochter und einem Mann im Knast. Der obendrein auch noch dein Mandant ist. Bring sie also heim und mach Schluss mit diesem Theater.
»Natürlich, klar, war nur so eine Idee... ein bisschen durch die Gegend fahren und Musik hören... Entschuldige bitte, ich bringe dich sofort nach Hause, du bist in fünf Minuten da... wenn du mir noch die genaue Adresse sagst...«
Sie fiel mir ins Wort und sprach ihrerseits sehr rasch.
»Hör zu, wenn du möchtest, machen wir es so: Wir fahren zu mir, du setzt mich ab und drehst eine kleine Runde, etwa zehn Minuten. Ich bezahle die Babysitterin, sie geht, und du kommst hoch; dann trinken wir in Ruhe was und plaudern ein wenig miteinander. Was meinst du?«
Ich antwortete nicht gleich, weil ich es nicht gleich schaffte zu schlucken. Aber meine moralischen Bedenken wurden weggespült wie der Schmutz in Werbespots für Waschbeckenreiniger. Ich sagte, ja, sehr gerne. Wir konnten etwas trinken und ein wenig plaudern. Und vielleicht konnten wir uns auch küssen und miteinander schlafen.
Bereuen konnten wir es hinterher immer noch.
Wir fuhren nach Poggiofranco. Ihre Wohnung befand sich
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