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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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eine Farbe haben.«
    Wünsche müssen, um in Erfüllung zu gehen, eine Farbe haben. So war das also. Endlich begriff ich, was ich mein Leben lang falsch gemacht hatte, wenn ich mir etwas wünschte. Es gab diese Regel, und keiner hatte mir etwas davon gesagt.
    »Sag mir deine Wünsche.«
    Für gewöhnlich bin ich außerstande, Fragen nach meinen Wünschen zu beantworten. Außerstande oder nicht gewillt. Was letzten Endes dasselbe ist.
    Ich finde es gefährlich, andern oder auch sich selbst einzugestehen – ehrlich einzugestehen -, was man sich wünscht. Denn wenn diese Wünsche verwirklichbar sind, und häufig sind sie das, konfrontiert dich das mit der Angst, es zu versuchen. Sprich, mit deiner Feigheit. Deshalb verdrängst du sie lieber oder denkst, es sind unmögliche Wünsche, und so etwas hat man als Erwachsener nicht.
    In dieser Nacht antwortete ich wie aus der Pistole geschossen.
    »Als kleiner Junge wollte ich immer Schriftsteller werden.«
    »Schön. Welche Farbe hat dieser Wunsch?«
    »Blau, würde ich sagen.«
    »Was für ein Blau?«
    »Ich weiß nicht. Eben blau.«
    Sie machte eine ungeduldige Geste, wie eine Lehrerin, die es mit einem begriffsstutzigen Schüler zu tun hat. Dann stand sie auf, verließ die Küche und kehrte eine Minute später mit einem Buch wieder. Der große Farbatlas lautete sein Titel.
    »Dieses Buch enthält zweihundert Farben. Such dir jetzt eine für deinen Wunsch aus.«
    Ich öffnete das Buch auf der Seite mit den Blautönen. Es gab unendlich viele Kästchen mit den unglaublichsten Farbnuancen. Unter jedem stand die entsprechende Bezeichnung. Einige hatte ich noch nie gehört, und da ich ihre Namen nicht kannte, hatte ich sie auch noch nie gesehen. Die Dinge existieren nur, wenn du sie benennen kannst, sagte ich mir, während ich zu blättern begann.
    Preußischblau, Türkis, Taubenblau, tiefes Himmelblau, provenzalisches Lavendel, Topas, kaltes Azurblau, Bleu, Ultramarin, Indigo, französisches Marineblau, Tintenblau, Vergissmeinnicht, Saphir, Kobalt, blauer Äther, Kornblume. Und noch viele andere.
    »Man muss sehr genau sein in der Farbwahl, sonst gehen die Wünsche nicht in Erfüllung. Such dir die exakte Farbe deines Wunsches aus.«
    Ich dachte noch ein paar Sekunden nach.
    »Indigo ist die genaue Farbe«, sagte ich dann.
    Sie nickte, als sei das die Antwort, die sie erwartet hatte. Die richtige Antwort.
    »Zweiter Wunsch.«
    Jetzt wurde es schon schwieriger, aber ich zögerte auch hier nur ganz kurz.
    »Ich hätte gerne ein Kind. Auch wenn ich sagen würde, dass dieser Wunsch momentan noch unrealistischer ist als der erste.«
    Sie sah mich an, mit einem seltsamen Gesichtsausdruck, aber nicht verwundert. Als habe sie auch mit dieser Antwort gerechnet.
    »Und welche Farbe hat der Wunsch?«
    Ich blätterte das Buch durch und klappte es dann zu.
    »Bunt. Ganz bunt.«
    Diesmal beharrte sie nicht darauf, dass ich die exakte Farbe nannte, und gab auch keinen Kommentar ab. Mir gefiel, dass sie keinen Kommentar abgab. Mir gefiel diese Selbstverständlichkeit und dass alles in diesem Moment genau am richtigen Platz war.
    »Und jetzt der dritte.«
    »Du sagtest, einer der Wünsche kann geheim bleiben.«
    »Ja.«
    »Das ist der geheime.«
    »Gut. Aber du musst ihm trotzdem eine Farbe geben, auch wenn er geheim ist.«
    Richtig. Der Wunsch ist geheim, die Farbe nicht. Okay. Ich nahm den Atlas zur Hand und schlug die Rottöne auf.
    Weinrot, Tomatenrot, Zinnober, Karmesin, Blassrosa, Rosenrot, modernes Korallenrot, Neonrot, Kirsche, Terracotta, Rubin, Feuerrot, Rostrot, Granat, Purpurrot, Dunkelrot, Scharlachrot, Karfunkel.
    »Karmesin, würde ich sagen, ja, karmesinrot. Und jetzt bist du dran.«
    »Ich wünsche mir, dass Anna Midori einmal glücklich und frei ist. Und dieser Wunsch ist blattgrün.«
    Irgendwie verursachte mir die Art, wie sie das sagte, eine Gänsehaut.
    »Dann wüsste ich gerne, ob Fabio schuldig oder unschuldig ist. Ob er mir die Wahrheit sagt oder nicht. Das wüsste ich gerne.« Sie dachte ein wenig über ihre Worte nach, bevor sie weitersprach. »Dieses wissen wollen ist braun, ein changierendes Braun, das bald an Mahagoni, bald an Leder erinnert, bald an schwarzen Tee, bald an Bitterschokolade. Manchmal wird es beinahe schwarz.«
    Sie sah mir in die Augen.
    »Und der dritte?«
    »Auch mein dritter Wunsch ist geheim.«
    »Und welche Farbe hat er?«
    Sie sagte nichts, nahm den Atlas und blätterte ihn ebenfalls bis zu den Rottönen durch, während mein Herz sanft

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