Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Rechtsanwalt zu sein.
Und dass meine Tätigkeit manchmal sogar etwas mit Gerechtigkeit zu tun hatte.
Dann löschte ich die Lichter und ging nach Hause. Um zu schlafen oder es wenigstens zu versuchen.
40
K urz vor zehn Uhr kam ich vor dem Gerichtssaal an. Unterwegs hatte ich leichtes Herzklopfen und ein Kribbeln im Hals gespürt. So, als bekäme ich jeden Moment einen Hustenanfall und als würde dieser direkt von meinem klopfenden Herzen ausgelöst. Auf der Universität war mir das auch manchmal passiert, immer in den Tagen unmittelbar vor einem wichtigen Examen.
Ich schaute mich nach Macrì um, obwohl ich keine Ahnung hatte, wie er aussah. Die Leute, die vor dem Verhandlungssaal warteten, kannte ich jedoch alle, wenigstens vom Sehen. Es war die übliche Fauna: Anwälte, Protokollführer, Referendare, Sekretärinnen.
Auf dem Weg hierher hatte ich noch mit mir selbst gewettet, dass er kommen würde. Aber offenbar hatte ich diese Wette verloren. Ich sagte mir, dass Macrì meine Drohung nicht ernst genommen und nicht geglaubt hatte, dass ich ihn notfalls durch die Carabinieri würde vorführen lassen.
Während ich meine Tasche auf der Bank abstellte und die Robe darüberhängte, überlegte ich mir, dass es nicht sehr angenehm sein würde, diese Zwangsvorführung zu beantragen. Ich fragte mich, wer wohl der Generalstaatsanwalt der heutigen Sitzung war.
Dann wandte ich mich wie auf ein geheimes Zeichen hin der Saaltür zu und entdeckte Macrì. Ich weiß nicht, warum, aber ich erkannte ihn sofort. Dabei entsprach er in nichts dem stereotypen Bild, das ich mir auf dem Weg zum Gericht von ihm gemacht hatte, als ich mir auszumalen versuchte, was gleich passieren würde. Ich hatte mir einen Herrn mittlerer Größe vorgestellt, etwas übergewichtig, mit dunkler Haut, pechschwarzem Haar und möglicherweise einem Schnurrbart.
Corrado Macrì war blond, größer als ich und erheblich robuster. Mit seinen geschätzten ein Meter neunzig auf hundert Kilo kam er daher wie einer, der kein Gramm Fett auf den Rippen hat, sich von Fitnessdrinks ernährt und einen Großteil seiner Zeit damit verbringt, Hanteln und Gewichte zu stemmen.
Er war sehr gut gekleidet: anthrazitfarbener Anzug, gestreifte Krawatte, Trenchcoat, Letzterer über den Arm gehängt. In Anbetracht seiner Proportionen war klar, dass es sich um maßgeschneiderte Kleidung handelte.
Er steuerte geradewegs auf mich zu. Mit dem federnden Gang eines durchtrainierten Athleten.
Ein störender Gedanke schoss mir durch den Kopf: Wie, wann und von wem mochte er wohl erfahren haben, wer ich war?
»Guerrieri?«
»Ja?«
Zu meiner Überraschung streckte er mir die Hand hin.
»Corrado Macrì«, sagte er lächelnd. Der kommt bei den Frauen bestimmt gut an, dachte ich mir, wenigstens bei gewissen Frauen, und das weiß er.
Ich erwiderte seinen Händedruck und gegen meinen Willen auch sein Lächeln. Ich konnte gar nicht anders. Dieser Typ hatte etwas, was Sympathie weckte. Und obwohl ich zur Genüge wusste, wer er war – nämlich ein als Anwalt getarnter Drogendealer -, kam ich nicht umhin, ihn doch irgendwie sympathisch zu finden.
»Wir haben bereits miteinander telefoniert«, sagte er und lächelte erneut; diesmal war es ein entschuldigendes Lächeln.
»Tja«, sagte ich, weil ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen. Die Situation war mir nicht ganz klar.
»Nun, unser erster Kontakt war wohl etwas... wie soll ich sagen... verunglückt. Und das war vermutlich meine Schuld.«
Diesmal sagte ich nicht einmal tja , sondern beschränkte mich darauf zu nicken. Mehr brachte ich bei dieser Pseudounterhaltung nicht heraus. Macrì zögerte ein paar Sekunden, bevor er weitersprach.
»Gehen wir einen Kaffee trinken?«
Nein danke, hätte ich sagen müssen, lieber nicht. Die Sitzung beginnt gleich, wir bleiben besser hier. Und vergiss bitte nicht, dass ich dich gleich vernehmen und dir dabei ein paar Fragen stellen muss, die dich zumindest in Verlegenheit bringen werden. Besser also, wir spielen erst gar nicht die dicken Freunde und Kollegen.
Einverstanden, sagte ich, wir könnten ruhig einen Kaffee trinken gehen, der Richter würde sowieso nicht vor einer Viertelstunde oder auch zwanzig Minuten hier sein.
Wir verließen also den Saal, und unterwegs zur Bar fiel mir auf, dass uns ein Typ folgte, wenn auch mit ein paar Metern Abstand. Ich wandte den Kopf, um zu sehen, wer es war.
»Keine Sorge, Guerrieri. Das ist mein Chauffeur. Er hält Abstand, weil er weiß, dass wir
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