Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Spirituosen und kehrte dann zufrieden nach Hause zurück. Was in schwierigen Zeiten wirklich nicht wenig ist.
An jenem Abend, als ich nach dem Gespräch mit Fornelli und den Ferraros meine Kanzlei verließ, dachte ich mir, dass das genau der richtige Abend sei, um zu Nadia zu gehen. Ich holte also mein Rad und war eine Viertelstunde später da, aber erst der Anblick der ausgeschalteten Leuchtreklame und der geschlossenen Eingangstür erinnerte mich daran, dass Montag Ruhetag war.
Falscher Abend, sagte ich mir und fuhr zurück Richtung Zentrum, nach Hause, in der Gewissheit, dass ich nicht so leicht einschlafen würde.
7
A m nächsten Morgen rief Fornelli an, um sich noch einmal zu bedanken.
»Danke, Guido, wirklich. Glaub nicht, ich hätte nicht verstanden, was du uns sagen wolltest gestern Abend. Ich weiß selber, dass es nur ein Versuch ist und dass er wahrscheinlich zu nichts führt. Ich weiß auch, dass das nicht dein Job ist.«
»Ist schon in Ordnung, Sabino, lass es gut sein …«
»Du warst die einzige Lösung, die mir noch einfiel, nachdem der Ermittlungsrichter gesagt hatte, er würde den Fall einstellen. Diese armen Leute sind am Boden zerstört. Er noch mehr als sie, wie du sicher bemerkt hast.«
»Nimmt er Medikamente?«
Kleine Pause am anderen Ende der Leitung.
»Ja, er ist vollgepumpt mit Medikamenten. Die allerdings keine andere Wirkung haben zu scheinen, als ihn schläfrig zu machen. Er hing …« Fornelli merkte, wie schrecklich dieser Satz im Imperfekt klang und korrigierte sich sofort. »… er hängt unglaublich an seiner Tochter, und diese Sache hat ihn vollkommen zerstört. Die Mutter ist die Stärkere, sie kämpft, ich habe sie noch nie weinen sehen, seit das Mädchen verschwunden ist.«
»Gestern Abend habe ich vergessen zu fragen, ob ihr es schon bei dieser Fernsehsendung versucht habt …«
»Die nach Verschwundenen sucht? Chi l’ha visto? Doch, sie haben zwei Mal kurz über Manuela berichtet und den Fall in ihr Archiv aufgenommen. Aber auch das hat nichts gebracht. Du wirst sehen, dass in ihrer Akte auch die Aussage eines Verrückten aufgenommen ist, der sich nach der Sendung bei der Polizei gemeldet und behauptet hat, sie gehe in der Nähe von Foggia auf den Strich.«
»Hat die Polizei das überprüft?«
»Ja, sie haben es gleich überprüft und gesehen, dass dieser Typ systematisch alle Polizeistationen und -kasernen anruft, um verschwundene Personen zu melden. Weitere sechs oder sieben Leute haben angerufen, um mitzuteilen, dass sie Mädchen, die Manuela ähnelten, an den Bahnhöfen von Ventimiglia und Bologna gesehen haben, dass sie in Bologna als Zigeunerin verkleidet herumlief und auch in einem Dörfchen in der Nähe von Crotone, und ich weiß nicht, wo sonst noch. Das ist alles aufgenommen worden, aber es ist nichts Konkretes dabei herausgekommen. Die Carabinieri haben mir gesagt, dass sich jedes Mal, wenn im Fernsehen jemand für vermisst erklärt wird, eine Reihe von Leuten meldet, die in Wirklichkeit gar nichts wissen. Das sind nicht automatisch alles Größenwahnsinnige, aber sie tun es wohl, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.«
Ich wartete, bis diese Informationen sich gesetzt hatten, und dachte, dass ich jetzt wirklich gern einen Blick in die Akte werfen würde.
»Gut, Sabino, ich werde mir die Unterlagen ansehen und prüfen, ob man noch irgendwelche zusätzlichen Ermittlungen vornehmen oder auch einen Privatdetektiv anheuern könnte. Wenn ich aber gar keinen Anhaltspunkt finde und man nichts Sinnvolles tun kann, müsst ihr den Scheck aber wieder zurücknehmen.«
»Jetzt lös ihn mal ein. Darüber reden wir noch, wenn du die Akte durchgesehen hast. Denn das ist ja schließlich auch Arbeit.«
Ich wollte etwas in der Art erwidern, dass ich nur dann Geld nahm, wenn ich es auch verdient hätte. Das wollte ich höflich, aber bestimmt sagen, so dass man darauf nichts erwidern konnte. Doch dann erschien mir diese Interpretation banal und abgegriffen. Deshalb beschränkte ich mich darauf, ihn zu bitten, mir die Unterlagen möglichst bald zukommen zu lassen. Er erwiderte, er würde mir den ganzen Packen am Nachmittag in der Kanzlei vorbeibringen lassen, und damit endete das Gespräch.
Im Rahmen des Möglichen ist es angebracht, banale und abgegriffene Interpretationen zu vermeiden, dachte ich.
Am Nachmittag kam ein Bote aus der Kanzlei Fornelli und übergab Pasquale ein ziemlich umfangreiches Konvolut. Pasquale brachte es in mein Zimmer und erinnerte mich
Weitere Kostenlose Bücher