Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
oder bekommen habe. Vielleicht hatte sie irgendwann das Handy aus der Tasche geholt. Vielleicht hatte sie eine SMS bekommen, vielleicht auch abgeschickt, aber das konnte Anita nicht mit Sicherheit sagen.
Nein, sie erinnerte sich nicht genau, wie Manuela an jenem Nachmittag angezogen war. Sicher war nur, dass sie eine dunkle Reisetasche dabeihatte und auch eine Handtasche, und vielleicht hatte sie Jeans und ein helles T-Shirt angehabt.
Nein, Anita erinnerte sich nicht mehr, wann genau sie vom Trullo losgefahren waren, und deshalb auch nicht, wann sie am Bahnhof angekommen waren. Sie mussten kurz nach vier losgefahren und gegen halb fünf angekommen sein.
Nein, sie wusste auch nicht, um wie viel Uhr genau Manuelas Zug ging. Vermutlich kurz nachdem sie am Bahnhof angekommen war, aber das war rein hypothetisch, denn sie erinnerte sich nicht, mit Manuela darüber gesprochen zu haben.
Nein, dem gab es nichts hinzuzufügen.
Gelesen, bestätigt und unterschrieben.
Danach kamen die Aussagen der drei Freunde – zwei Mädchen und ein Junge –, mit denen Manuela zu den Trulli gefahren war. Sie waren kurz und im Kern sehr ähnlich: Es war vereinbart gewesen, am Sonntagabend nach Bari zurückzufahren. Doch da noch eine Party stattfinden sollte, hatten die drei beschlossen, bis Montag zu bleiben. Manuela hingegen wollte schon am Sonntag zurück wie ursprünglich geplant. Sie meinte aber, das sei kein Problem, denn sie habe jemanden gefunden, der sie bis Ostuni mitnahm, und von dort könne sie ja den Zug nehmen.
Das war alles.
Dann folgte die Aussage des Fahrkartenschaffners, von dem Fornelli gesprochen hatte. Der Manuela erkannt hatte, auch wenn er nicht sagen konnte, um wie viel Uhr sie an seinen Schalter gekommen war, um sich die Fahrkarte zu kaufen.
Dem Bericht war zu entnehmen, dass die Carabinieri die Abfahrtszeiten der Züge vom Bahnhof Ostuni überprüft hatten. Manuela hätte einen Eurostar nehmen können, einen Eilzug oder zwei Lokalbahnen, alle zwischen 17.02 und 18.58 Uhr.
Die Carabinieri hatten sehr sorgfältig gearbeitet und die Schaffner all dieser Züge befragt: Es gab etwa zehn Protokolle, die alle gleich waren und fast alle unbrauchbar.
Den Schaffnern war ein Foto des Mädchens gezeigt worden, und sie hatten geantwortet, sie hätten sie noch nie gesehen.
Nur einer, der vom 18.58-Uhr-Zug, meinte, Manuelas Gesicht sei ihm bekannt. Er glaube, sie schon gesehen zu haben, aber war sich nicht sicher, ob es am Sonntagnachmittag gewesen war oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt.
Es folgte eine Reihe von Protokollen von den Vernehmungen der jungen Leute, die das Wochenende in den Trulli verbracht hatten. Keine dieser Aussagen war auch nur im Geringsten brauchbar. Mir fiel nur auf, dass die Carabinieri alle gefragt hatten, ob Drogen konsumiert worden seien. Das hatten alle bestritten, und keiner wusste – oder wollte gewusst haben –, ob Manuela auch nur gelegentlich Drogen in irgendeiner Form konsumierte.
Dann gab es noch die kurzen Aussagen der beiden Freundinnen, mit denen Manuela in Rom studierte. Nicoletta Abbrescia, mit der sie zusammenwohnte, und Caterina Pontrandolfi.
Auch sie waren von den Carabinieri ausführlich zum Thema Drogen befragt worden. Alle beide gaben zu, dass Manuela mitunter einen Joint rauchte, aber nicht mehr. Zwischen den Zeilen der bürokratischen Formeln war eine gewisse Verlegenheit spürbar, aber das war vielleicht auch normal, denn es handelte sich schließlich um Carabinieri.
Der interessanteste Teil der Aussagen war der, der sich auf einen gewissen Michele Cantalupi bezog, den letzten Freund von Manuela. Beide Mädchen berichteten von einer schwierigen Beziehung, die von sehr viel Streit gekennzeichnet war und auf heftige Weise zu Ende gegangen war, mit Episoden verbaler und mitunter auch physischer Gewalt.
Die Carabinieri schrieben, dass es in den Tagen unmittelbar nach Manuelas Verschwinden nicht möglich war, Cantalupi ausfindig zu machen. Seine Eltern hatten gesagt, er mache Ferien und sei ins Ausland gefahren. Diese Antwort hatte die Beamten stutzig gemacht (in dem Bericht war zu lesen, die Haltung der Familie sei höchst ausweichend gewesen), so dass sie Einsicht in die Telefondaten Manuelas und Cantalupis sowie in ihre Kontobewegungen beantragt hatten. Sie wollten herausfinden, mit wem sowohl das Mädchen als auch Cantalupi Kontakt gehabt hatten, und vor allem, ob ihr Freund sich an jenen Tagen tatsächlich im Ausland aufhielt.
Eine Woche später gab es einen
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