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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Mandant hat nichts zu befürchten.«
    »Mein Mandant wird nicht mit dir sprechen. Ich habe es ihm verboten.«
    »Hör zu. Wir brauchen …«
    »Wenn du auch nur versuchst, Cantalupi noch einmal zu kontaktieren, zeigt dich meine Kanzlei innerhalb von zwei Minuten bei der Anwaltskammer an. Ich hoffe, ich habe mich deutlich genug ausgedrückt.«
    Er legte auf, ohne mir Gelegenheit zu einer Erwiderung zu geben. Es macht einen wirklich wütend, wenn der Idiot, mit dem man telefoniert, einfach den Hörer auf die Gabel knallt, vor allem wenn dieser Idiot einen vorher bedroht hat, ohne einem die Chance zu einer Erwiderung oder wenigstens einer Beleidigung zu geben. Einen Augenblick war ich versucht, ihn zurückzurufen, nur um ihn zum Teufel zu schicken und mich besser zu fühlen. Ich überlegte immer noch, als Pasquale mich anrief, um Fräulein Pontrandolfi anzukündigen.
    Ich sagte, er solle sie hereinführen, und dachte, dass sie im richtigen Moment gekommen war, um mir eine Dummheit zu ersparen, die ich danach sehr bereut hätte.

15
    D ie Pontrandolfi hatte ich mir klein vorgestellt, dünn und mit schmalen Schultern. Vielleicht hatte ich den Namen Caterina bisher mit einem zarten, fragilen Frauentyp in Verbindung gebracht.
    Das Mädchen, das kurz nach sieben mein Zimmer betrat, fegte dieses Klischee, das ich vermutlich aufgrund von musikalischen Assoziationen hatte, für immer vom Tisch.
    Caterina Pontrandolfi war fast so groß wie ich, hatte eine etwas größere Nase, volle Lippen und erinnerte an bestimmte Fotos der jungen Marianne Faithfull. Sie sah aus wie eine Wasserballerin, der Typ Mädchen, von dem man keine Ohrfeige bekommen will. Das Kleid, das sie unter der Jeansjacke trug, war vielleicht zu dünn für die Jahreszeit, aber sehr feminin und bildete einen angenehmen Kontrast zu ihrem athletischen Körper.
    »Setzen Sie sich doch, Fräulein Pontrandolfi.« Während ich dieses Wort aussprach – Fräulein – fühlte ich mich wie ein Hinterwäldler.
    »Das Wort Fräulein erinnert mich immer an zwei unverheiratete Freundinnen meiner Großmutter. Bei uns zu Hause wurden sie nur die Fräulein genannt, und für mich ist ein Fräulein eine alte Jungfer. Bitte sagen Sie doch einfach Du, sonst machen Sie mich verlegen.«
    Ich dachte, dass es bestimmt nicht leicht war, sie in Verlegenheit zu bringen, und ich wollte schon sagen, dass ich sie gern duzte, wenn sie mich auch duzte und so weiter. Dann fiel mir ein, dass sie – den Berichten der Carabinieri nach – dreiundzwanzig Jahre alt war. Ich war fünfundvierzig, ein Anwalt in Ausübung seines Berufs, und hätte – rein theoretisch – ihr Vater sein können.
    Ich merkte, dass ich einfach nicht wusste, was ich antworten sollte. Darauf beharren, dass ich sie siezte, wäre unfreundlich und lächerlich gewesen; ihr zu sagen: Okay, duzen wir uns (und danach womöglich ein Schlumpfeis in einer Studentenkneipe essen gehen), fand ich unpassend, und so tat ich etwas, was mir eigentlich gar nicht gefällt, in dieser Situation aber wohl die einzige Lösung war: Ich duzte sie und ließ zu, dass sie mich siezte.
    »Also gut. Danke, dass du mit mir reden willst. Manuelas Mutter hat … dir vermutlich den Grund für dieses Treffen erklärt.«
    »Ja. Sie sagte, Sie würden nachprüfen, ob die Ermittlungen über Manuelas Verschwinden auf die bestmögliche Art durchgeführt wurden und ob es eventuell noch andere Möglichkeiten gibt.«
    »Genau so ist es. Nach dem, was ich den Unterlagen entnehme, bist du eine von Manuelas besten Freundinnen.«
    »Ja, wir sind sehr gut befreundet.«
    »Erzähl mir bitte von ihr. Was für ein Mensch ist sie, seit wann kennt ihr euch, welche Beziehung habt ihr zueinander? Alles, was dir so einfällt. Auch Unwichtiges, ich muss mir eine Vorstellung von ihr machen. Ich brauche ein paar Ideen, und momentan habe ich leider nicht viele.«
    »Einverstanden. Kennengelernt haben Manuela und ich uns in Rom durch Nicoletta. Seit etwa zwei Jahren wohnen die beiden dort zusammen. Das heißt, Manuela ist bei Nicoletta eingezogen, nachdem sie aus ihrer ersten WG ausgezogen ist. Ich glaube, sie hatte Probleme mit ihrer vorigen Mitbewohnerin.«
    »Wenn du Nicoletta sagst, meinst du Nicoletta Abbrescia, oder?«
    »Ja, genau. Wir kennen uns seit der Schule. Sie ist ein bisschen jünger als ich.«
    »Aber du wohnst doch immer noch in Rom?«
    »Nein. Ich habe jetzt die Regelstudienzeit überschritten. Vor dem Sommer habe ich meine Wohnung in Rom aufgegeben, weil mein Vertrag

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