Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Ahnung, wohin mich das führen wird.«
»Was für Nachforschungen?«
»Nun ja, ich bin immerhin Anwalt. Ich habe Verbindungen, und ich habe mich erkundigt.«
»Im Pusher-Milieu, meinst du?«, fragte Caterina, die Hände auf die Tischplatte gestützt, wobei sie sich leicht zu mir vorbeugte. Ich wollte ihr schon von Quintavalle erzählen, aber dann dachte ich mir, dass es keine gute Idee wäre, allzu sehr ins Detail zu gehen.
»Wie ich schon sagte: ein paar Fragen hier und da, um zu sehen, ob etwas Interessantes dabei herauskommt.«
Caterina stützte sich weiterhin auf die Tischplatte und sah mich an. Ich hatte das Gefühl, ein Aufblitzen in ihrem Blick zu erkennen, ich dachte, sie würde weiterfragen und mehr wissen wollen, doch in genau diesem Moment wurde mir klar, dass sie mich benutzte. Weil sie wissen wollte, was ihrer Freundin widerfahren war, dachte ich. Diese Vorstellung löste in mir ein merkwürdiges Gefühl aus, das ich ohne Erfolg zu entschlüsseln versuchte. Ein paar Sekunden vergingen, bis sie die Stille unterbrach.
»Also, was machen wir? Ich habe keine Pläne für die nächsten Tage, von mir aus können wir schon morgen fahren.«
»Ich habe morgen einen wichtigen Gerichtstermin, zu dem ich unbedingt erscheinen muss. Aber übermorgen ginge.«
»Wie reisen wir?«
»Ich denke, fliegen wäre das Beste. Es ist nicht so anstrengend und wir können alles an einem Tag erledigen. Wir fliegen in der Früh, treffen Nicoletta, und am Abend fliegen wir mit der letzten Maschine zurück. Natürlich übernehme ich die Kosten für die Tickets und die anderen Reisespesen.«
»Wir müssen doch nicht alles in einen Tag quetschen. Ich rufe gleich mal Nicoletta an und frage, wann wir uns treffen können. Je nachdem entscheiden wir dann, wann wir fliegen und ob wir eventuell in Rom übernachten.«
Ihr Ton war ganz natürlich und praktisch. Wie jemand, der einfach eine Geschäftsreise organisiert. Mir raubte die Andeutung einer gemeinsamen Übernachtung in Rom jedoch den Atem.
Caterina versuchte, Nicoletta zu erreichen, aber ihr Telefon war ausgeschaltet, und so schickte sie ihr eine SMS .
»Wenn es dir recht ist, rufe ich dich an, sobald sie sich meldet, und dann entscheiden wir, was wir tun.«
»Aber du … hast du niemanden?« Ich merkte, dass ich mich schwertat, die richtigen Worte zu finden, und das gab mir plötzlich das Gefühl, alt und fehl am Platz zu sein.
»Was meinst du damit, ob ich einen festen Freund habe?«
»Ja.«
»Warum willst du das wissen?«
»Ich weiß nicht, einfach so, weil wir doch eine Reise planen und, na ja …«
Ich merkte, wie ich mich immer mehr verstrickte. Auch sie merkte es und tat nichts, um mir aus meiner Verlegenheit zu helfen. Im Gegenteil. Sie setzte ein Lächeln auf, das auf den ersten Blick lustig und freundlich wirken mochte, aber in Wirklichkeit alles andere war als das. Sie senkte unmerklich die Stimme.
»Hast du vor, mich in Rom zu verführen? Muss ich mich in Acht nehmen vor dir?«
Ich schwankte einen Augenblick, wie wenn man die Fäuste unten hat und einen schönen Haken mitten ins Gesicht verpasst bekommt. Ich spürte, wie meine Wangen sich rot färbten, und dachte mir, dass ich im Grunde immer noch derselbe unfähige Vollidiot war wie damals, vor dreißig Jahren im Supermarkt.
»Na klar! Wir wären ein perfektes Paar, du und ich. Eigentlich hatte ich vor, um deine Hand zu bitten.«
Schwache Performance, aber irgendwie musste ich die Kurve wieder kriegen. »Nein, im Ernst: Ich habe dich gefragt, weil dein Freund, falls du einen hast, etwas dagegen haben könnte, dass du mit einem anderen Mann verreist, noch dazu mit einem, der so viel älter ist als du.«
»Ich habe keinen Freund.«
»Ach. Und wieso?«
Sie lehnte sich zurück und zog die Schultern zusammen, dann erst antwortete sie.
»Na ja, die Liebe kommt, die Liebe geht. Meine letzte Beziehung ist seit einiger Zeit vorbei, und im Moment suche ich keinen Ersatz. Zumindest nichts Festes. Ich bin in stand-by , würde ich sagen. Was natürlich nicht bedeutet, dass ich nicht aus dem Haus gehe.«
Dann stützte sie sich auf die Armlehnen und stand auf, als sei ihr plötzlich etwas eingefallen.
»Sobald ich mit Nicoletta gesprochen und etwas ausgemacht habe, rufe ich dich an. Dann kannst du unsere Reise organisieren.«
»Gut«, sagte ich und stand ebenfalls auf. Ich umrundete den Schreibtisch, um sie zur Tür zu begleiten.
Ich wollte ihr die Hand geben, aber sie beugte sich mit präzise berechnetem
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