Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
einige meiner Freunde sich regelmäßig diesem Zeitvertreib widmeten. Es war das erste Mal, dass ich mit einbezogen wurde, und die Vorstellung gefiel mir ganz und gar nicht, aber ich hatte nicht den Mut, das zu sagen. Ich wollte nicht schon wieder die Überzeugung meiner Freunde bestärken, die mir den Kampfnamen »Der-sich-in-die-Hose-macht« gegeben hatten.
Ich machte also mit, auch wenn ich immer unruhiger wurde, je näher wir dem Supermarkt kamen, den wir für unseren Raubzug ausgesucht hatten. Dabei bestand die Unruhe zu gleichen Teilen aus der Angst, erwischt zu werden, und aus schleichender Scham im Voraus.
Das Schlimmste war der Moment, als wir den Supermarkt betraten. Meine Freunde schwärmten aus und begannen, sich die Hosen, Jacken, ja, sogar die Strümpfe vollzupacken. Sie schossen hin und her wie verrückt gewordene Ameisen und sackten unbeschwert Waren ein, die sie versteckten, ohne sich auch nur umzusehen, ob jemand sie dabei beobachtete.
Ich hingegen blieb lange so gut wie reglos vor dem Regal mit den Süßigkeiten und der Schokolade stehen. Ich nahm eine Tüte mit Malzriegeln und wog sie in der Hand, während ich verstohlene Blicke nach rechts und links warf. In meinem Blickfeld war niemand, und ich sagte mir, dass dies der ideale Moment war, um mir die Tüte in die Unterhose zu stopfen und abzuhauen. Aber ich schaffte es nicht. Ich war mir sicher, dass in dem Moment, in dem ich es täte, jemand von einer der beiden Seiten auftauchen, mich sehen und den Alarm auslösen würde, woraufhin alle Wachleute angerannt kämen und ich binnen kurzer Zeit in Handschellen abgeführt, in ein Jugendgefängnis gebracht werden und in Schimpf und Schande enden würde.
Ich kann nicht sagen, wie lange wir in dem Supermarkt waren. Irgendwann stieß Beppe zu mir, während ich gerade mit autistischer Intensität eine Packung Marmeladentörtchen anstarrte, und meinte ganz aufgeregt, dass wir schnell gehen mussten, bevor die Situation gefährlich wurde. Er erklärte, dass einer der Gruppe, Lino, mal wieder nicht genug bekommen konnte. Er hatte zu viel Zeug eingesteckt, das konnte auffallen, und dann würde alles in der Scheiße enden. Er verwendete genau diese Worte. In diesem Moment hatte ich eine Idee. Die schlau war, aber auch feige.
»Mensch, Beppe, machen wir es doch so: Ich kaufe etwas, und während ich bezahle, lenke ich die Kassiererin ab und ihr lauft in der Zwischenzeit in aller Ruhe aus dem Laden.«
Er sah mich ein paar Augenblicke lang verständnislos an. Er verstand es nicht. War ich ein ausgekochter Hund oder, was für ihn wahrscheinlicher sein musste, ein Angsthase, der sich aus der Affäre ziehen wollte? Ich nehme an, dass er sich für keine Antwort entscheiden konnte; es war nicht der richtige Moment.
»Gut, dann rufe ich die anderen und sage ihnen Bescheid. In einer Minute bist du an der Kasse, und während du bezahlst, verlassen wir den Laden. Wir treffen uns dann direkt bei mir zu Hause.«
Ich fühlte mich extrem erleichtert, denn ich hatte die perfekte Lösung gefunden: Ich war jetzt nicht mehr der unfähige Vollidiot (wie ich mehrmals und nicht grundlos von meinen Freunden bezeichnet wurde), ich riskierte so gut wie nichts und ich beging keine Straftat – so dachte ich jedenfalls damals. Was diesen Aspekt angeht, muss gesagt werden, dass ich zu jener Zeit keine genaue Vorstellung von dem Begriff Mittäterschaft und dem Tatbestand der Beihilfe zu einer Straftat hatte.
Eine halbe Stunde später waren wir alle bei Beppe, wo sich der Tisch buchstäblich bog unter der Last von Keksen, Cola-Dosen, Fruchtsäften, Schokolade, Bonbons, abgepackten Kuchen, Käsestückchen und sogar zwei Salamis. Inmitten der Beute lag die rührende Packung Reisschokolade, die ich mit meinem eigenen Geld gekauft hatte.
Das Ganze mag ziemlich lächerlich wirken, aber damals empfand ich es nicht so. Ich konnte nicht darüber lachen. Als der Moment der Erleichterung vorbei war, war ich gezwungen, der unangenehmen Wahrheit ins Gesicht zu sehen: Ich hatte bei einem Diebstahl mitgemacht und war ein Dieb wie alle anderen, nur viel feiger.
Die anderen Jungs aßen, tranken und kommentierten die Aktion. Ich hatte schreckliche Angst, dass jemand meinen Beitrag analysieren und meine eigentlichen Beweggründe aufdecken könnte. Gott sei Dank geschah das nicht, aber nach kurzer Zeit hielt ich es dort nicht mehr aus. Ich erfand eine Ausrede, die keinen interessierte, und verließ fluchtartig die Wohnung. Die Reisschokolade ließ ich
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