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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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annehmen und schüttelte den Kopf. Ich sah sie fragend an.
    »Du wolltest gerade etwas sehr Böses tun, und zur Strafe musst du jetzt besonders nett zu mir sein.«
    Nach diesen Worten beugte sie sich zu mir vor und öffnete die Lippen. Ich sah sie ungläubig an, schluckte und führte dann den Bissen an ihren Mund. Sie nahm ihn mit den Lippen und hielt meine Finger dabei fest, während sie mir amüsiert und erbarmungslos in die Augen sah.
    Ein Teil von mir versuchte sich immer noch zu wehren.
    Du darfst das nicht. Das ist nicht gut, dieses Mädchen könnte deine Tochter sein. Nicht nur biologisch. Ihre Mutter ist kaum älter als du, und als du einundzwanzig, zweiundzwanzig warst, bist du auch mit älteren Mädchen ausgegangen. Zum Beispiel mit Giusy: Du warst zwanzig, sie dreiundzwanzig. Wenn ihr damals nicht aufgepasst hättet, hättest du jetzt eine Tochter im Alter von Caterina, mit einer Frau, die genauso alt wäre wie Caterinas Mutter.
    Das ist eine der idiotischsten Überlegungen, die ich je von dir gehört habe, Guerrieri, erwiderte meine andere Hälfte. Rein biologisch hättest du schon mit fünfzehn Vater werden können. Aufgrund dieser Pseudo-Regel, nach der man nichts mit Mädchen anfängt, die nach biologischen Aspekten die eigene Tochter sein könnten, dürftest du jetzt also, mein lieber Guerrieri, überhaupt nur mit Frauen über dreißig verkehren. Hat man jemals einen solchen Unsinn gehört?
    Wir ließen uns vom Taxi an der Spanischen Treppe absetzen, die nicht weit von unserem Hotel war. Ich konnte mich schon gar nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal dort gewesen war, und als ich aus dem Auto stieg, empfand ich eine kindliche, elementare Freude. Wir setzten uns mitten unter die Touristen in die Nähe des Brunnens und hörten den Leuten und dem Plätschern zu. Dann gingen wir die Treppe hinauf, und – wohl wissend, wie banal dieser Gedanke war – ich dachte mir, dass es wohl wenige Orte auf der Welt gab, an denen man den Frühling so deutlich spürte wie an der Spanischen Treppe und der Trinità dei Monti.
    Wir waren beinahe an der Kirche angekommen, als ein Philippino mir seine Rosen anbot. Ich lehnte dankend ab und wich ihm aus. Caterina hingegen blieb stehen und kaufte eine, die sie mir schenkte.
    Kurz darauf betraten wir eine kleine Bar, vor der ein Schild einen »Nostalgischen Abend« mit italienischen Schlagern aus den Achtzigerjahren verhieß.
    Wir blieben vier, fünf nicht gerade unvergessliche Lieder lang in dem Lokal. Dann fragte Caterina, ob ich ins Hotel gehen wollte. Ich fühlte so etwas wie einen elektrischen Schlag und befand, dass ich zu müde war, um mich weiter zu wehren. Als ob ich es bisher auch nur versucht hätte. Ich sagte ja, wir brachen auf, und nach zehn Minuten waren wir da.
    Wir ließen uns die Schlüssel geben, und ich brachte sie zu ihrem Zimmer, das eine Etage unter meinem lag. Sie blieb stehen und lehnte sich mit dem Rücken an die Wand.
    Jetzt bietet sie mir gleich an, mit reinzukommen, ich gehe mit und dann soll passieren, was will, sei’s drum, ich habe es satt, keinen Schritt tun zu können, ohne dass die Kritik der praktischen Vernunft sich mir in den Weg stellt.
    »Danke, Gigi. Gute Nacht«, sagte sie und gab mir einen Kuss auf die Wange.
    Gigi? Gute Nacht? Bist du jetzt verrückt geworden?
    Das sagte ich natürlich nicht. In Wirklichkeit sagte ich gar nichts. Ich blieb regungslos dort stehen, mit einem Gesichtsausdruck, den ich bei jemand anderem lustig gefunden hätte.
    »Die Leute, die ich mag, nenne ich bei ihren Initialen: Gi-gi, Guido Guerrieri. Ciao, Gi-gi. Gute Nacht und danke für den wunderschönen Abend.«
    Und bevor ich noch ein Wort hervorbringen konnte, war sie in ihrem Zimmer verschwunden.
    Ich machte mich schnell zum Schlafen fertig, gebeutelt von einem emotionalen Cocktail aus Verlegenheit, Ärger, Erleichterung und anderen, weniger eindeutigen Gefühlen. Ich hatte allerdings keine Lust, diese Kombination und den Anteil der einzelnen Komponenten aus der Nähe zu betrachten, und beschloss deshalb, mein Buch zu lesen – Erzählungen von Grace Paley –, bis ich einschlief. Was lange dauern konnte, wie ich fürchtete.
    Ich las etwa zehn Minuten und war gerade zu dem Schluss gekommen, dass die erste Erzählung nicht besonders spannend war, aber eben deshalb umso besser als Schlaftablette geeignet, als es an der Tür klopfte.
    »Ja?«
    »Ich bin’s. Machst du mir auf?«
    »Moment«, sagte ich und stolperte bei dem Versuch, in aller Eile

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