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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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gelingt. Und jetzt war er aus dem Nichts wieder aufgetaucht und hatte vor meinen Augen Gestalt angenommen, mit seinen zerknitterten Kleidern, dem Geruch nach kaltem Rauch und nach stummer, unterdrückter Verzweiflung.
    »Wie lange haben wir uns schon nicht mehr gesehen! Was treibt dich nach Rom?«
    Ich dachte, dass es besser war, wenn ich ihm nicht allzu genau erklärte, was ich hier tat – oder gerade getan hatte.
    »Das Übliche. Ein Fall am Obersten Gerichtshof.«
    »Na klar, ein Fall am Obersten Gerichtshof. Du bist ein großes Tier geworden, ich weiß. Ich behalte dich im Auge. Unsere gemeinsamen Freunde berichten mir regelmäßig von dir.«
    Ich wollte lieber nicht wissen, welche Freunde Enrico De Bellis und ich gemeinsam haben konnten. Er klopfte mir auf die Schulter.
    »Verdammt, du bist vielleicht in Form, du hast dich überhaupt nicht verändert. Ich habe eine schwierige Zeit hinter mir, aber jetzt geht es mir besser. Ja, es geht richtig aufwärts. Alles bestens. Und wenn es mit einem Projekt klappt, das ich vorhabe, dann habe ich es wirklich geschafft.«
    Er sprach schnell, mit einer so aufgesetzten Fröhlichkeit, dass es grotesk wirkte.
    »Komm, ich lade dich auf einen Kaffee ein«, sagte er und zog mich am Arm in eine Bar, die nur ein paar Schritte entfernt war.
    »Zwei Kaffee«, sagte er zu dem Barmann.
    Dann drehte er sich zu mir und zwinkerte mir komplizenhaft zu: »Genehmigen wir uns einen Tropfen Sambuca, Guido?«
    Nein danke, Sambuca um zehn Uhr früh gehört nicht zu meinem Diätplan.
    Ich lächelte mühsam und schüttelte den Kopf. Daraufhin nahm er sich auch meine Ration. Er nickte dem Barmann, der ihn offensichtlich gut kannte, aufmunternd zu. Der goss den Sambuca in den Kaffee und hörte erst auf, als die Tasse randvoll war.
    Rein technisch gesehen handelte es sich jetzt um einen Sambuca mit einem Schuss Kaffee. De Bellis trank ihn sofort aus und hätte am liebsten – da gab es keinen Zweifel – gleich noch einen bestellt. Er hielt sich nur mit Mühe zurück.
    Dann kramte er demonstrativ in seinen Hosentaschen und entdeckte, dass er seinen Geldbeutel vergessen hatte.
    »Mein Gott, Guido, das tut mir so leid. Ich wollte dich auf einen Kaffee einladen und merke gerade, dass ich das Geld vergessen habe. Verzeih mir.«
    Ich zahlte, wir verließen die Bar, und er zog eine MS aus einem Päckchen, das ebenso zerknittert war wie seine Kleider. Eine gesunde Lebensweise, das musste man zugeben. Er schob seinen Arm unter meinen, wir gingen in Richtung Piazza del Popolo, und er informierte mich über alle Errungenschaften der modernen Medizin, was die Therapie von Erektionsstörungen betraf. Ein Gebiet, auf dem er zugegebenermaßen so etwas wie ein Profi zu sein schien.
    Nachdem er mich über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt hatte – von Pillen verschiedenster Art über Spritzen wie aus Gruselfilmen bis hin zu hydraulischen Konstruktionen, die Frankenstein begeistert hätten –, kam er zu dem Schluss, dass in unserem Fall die beste Lösung Prostituierte wären, oder, noch besser, die Selbstbefriedigung. Ein schöner Pornofilm, gratis aus dem Internet, fünf Minuten und man hatte seine Ruhe. Keine Probleme, keine Versagensängste, außerdem tun diese Medikamente nicht gut, okay, du bist in Form, aber ich habe ein paar Kilo zu viel, auch wenn ich die bald wieder los bin. Aber danach braucht man nicht einmal nett zu sein, zusammen zu rauchen oder Pläne zu schmieden. Im Grunde war doch alles ein hydraulisches Problem: die Instandhaltung der Prostata.
    Mir wurde übel, und ich musste so tun, als würde ich mein Schuhband richten, um mich von seinem Arm zu befreien.
    »Darf ich dich um einen Gefallen bitten, Guido? Wir zwei waren schließlich mal richtig gute Freunde, und für mich ist das etwas sehr Wichtiges.«
    Wir waren nie richtig befreundet gewesen. Ich war mir sicher, dass er Geld von mir wollte.
    »Ich muss ausgerechnet heute eine wichtige Rechnung bezahlen. Wie ich dir gesagt habe, hatte ich zwischenzeitlich eine schwierige Phase, aber es geht wieder aufwärts, ich habe einen großartigen Plan, von dem ich dir gern erzählen würde. Vielleicht treffen wir uns an einem dieser Abende auf ein Glas Wein, und ich erzähle dir alles. Warte, zuerst einmal will ich dir meine Visitenkarte geben.«
    Die Visitenkarte war am Automaten auf billigstem Papier ausgedruckt. Darauf stand: Enrico De Bellis, Finanzberatung für Privatkunden und Firmen . Keine Adresse, nur eine Handynummer.

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