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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Folglich hatte er den entscheidenden Ereignisablauf nicht beobachten können.
    Es hatte einen großen Anwaltszirkus mit einem der Staranwälte Stockholms gegeben und ein glückliches Ende genommen: Stjärnströms Angabe, er habe Eva-Christina Wickman ins Gesicht geschlagen, um ihren »hysterischen« Reaktionen ein Ende zu machen, kann nicht unberücksichtigt bleiben. Ein in dieser Absicht erteilter Schlag muß natürlich Schmerz verursachen.
    Ja, bis dahin schien alles in Ordnung zu sein. Das Gericht hatte die Absicht gelten lassen, und das für die Frage der Körperverletzung entscheidende Moment, nämlich der Schmerz, war damit schon halb entschuldigt. Aber dann sah es aus, als hätte das Gericht es sich anders überlegt, und Eva-Britt Jönsson mußte die entscheidende Passage zweimal lesen, bevor sie sie verstand.
    Auch wenn Eva-Christina Wickman, wie Zeugen ausgesagt haben, laut, widerspenstig und »hysterisch« gewesen ist, kann Gewalt gegen ihr Gesicht unter keinen Umständen als gerechtfertigte Maßnahme anerkannt werden.
    Stjärnström wird daher wegen leichter Körperverletzung zu einer Geldstrafe verurteilt.
    Gerechtfertigt oder nicht gerechtfertigt? Das Gericht sagte zwei Dinge zugleich. Eine Mißhandlung des Gesichts, die Schmerz verursacht hatte, war nicht gerechtfertigt. Andererseits war das Gericht der Meinung, es sei schon in Ordnung, daß dieser Schreihals von Weibsbild eins aufs Maul bekommen hatte. Folglich gaben sie Rabatt und sagten, es handle sich um leichte Körperverletzung, obwohl das im Grunde nicht der Fall war?
    Entweder mußte es gerechtfertigt sein oder nicht, wenn man mal zuschlug. Jetzt war es nicht gerechtfertigt. Aber trotzdem irgendwie doch?
    Die Pointe lag immerhin darin, daß das Ganze zu leichter Körperverletzung geworden war. Es ging also in erster Linie um die Frage, ob es »medizinisch« gerechtfertigt ist, einen Saufbold zu schlagen, um sich zu wehren, wenn man vollgekotzt wird.
    Eva-Britt seufzte. Die von ihr begangene Körperverletzung war nicht leicht gewesen. Sie hatte mit einer geraden Rechten zugeschlagen. Die von diesem Stjärnström begangene Körperverletzung war andererseits auch nicht leicht gewesen, obwohl das Gericht es sagte. Doch dafür hatte der Mann einen Staranwalt gehabt.
    Carl kam mit Einkaufstüten nach Hause. Er hatte offenbar eine Menge eingekauft.
    »Hej«, sagte er leicht schuldbewußt, als schämte er sich für sein Zuspätkommen. »Hier brennt die Lampe des Fleißes, wie ich sehe.«
    »Hm«, sagte sie zerstreut, »ich sitze hier und versuche zu verstehen, ob ich diesen Saufbold nur leicht mißhandelt habe, obwohl es keine leichte Körperverletzung war, oder ob es sich um eine medizinische Körperverletzung handelt, was auf das gleiche hinausläuft.«
    Carl starrte sie erst fragend an, dann schüttelte er den Kopf und sank vor ihr auf die Knie. Dann strich er ihr behutsam über den Bauch und küßte sie.
    »Ich habe Wildschweinkoteletts gekauft«, sagte er nach einiger Zeit. »Bin auf dem Nachhauseweg bei der Markthalle vorbeigekommen, um was Gutes zu besorgen. Ich wollte nämlich für ein paar Sachen um Entschuldigung bitten, und sie hatten Wildschweinkoteletts.«
    »Wie Pigham, wenn auch röter und zäher«, sagte sie sachverständig. »Du versuchst immer wieder, bei mir Eindruck zu schinden. Daran hätte es schon von Anfang an scheitern können, weißt du das?«
    »Nein, aber ich habe immerhin versucht, es nicht zu tun. Wie auch immer: Es ist ein Glück gewesen, daß es nicht von Anfang an geplatzt ist. Ich meine, es ist ein Glück.«
    »Ich glaube, ich könnte so einen Staranwalt brauchen«, sagte sie nach dem nächsten langen Kuß.
    »Ach was, vielleicht wirst du gar nicht verurteilt. Der Nebenkläger kommt sowieso nicht. Ein unauffälliger kleiner Fall, um den sich kein Mensch kümmert«, murmelte er, da er lieber in ihrem Haar und ihrem einen Ohr versinken wollte als in Anwaltsfragen.
    Sie aber lachte plötzlich herzlich oder herzzerreißend, aber auf jeden Fall viel zu laut los.
    »Habe ich was Dummes gesagt?« fragte er verwirrt und zog sich von ihrem Ohr zurück.
    »Ja, das mit dem unauffälligen kleinen Fall. Hast du nicht Expressen gelesen?«
    Er stand mit aufflammender Wut auf und sah sich um. Expressen lag, von juristischen Dokumenten halb verborgen, auf dem Granittisch.
    Auf der ersten Seite war ein Bild von ihm zu sehen, daneben eins von Eva-Britt. Es war offenbar ein Paß oder Führerscheinfoto von ihr.
    HAMILTONS LEBENSGEFÄHRTIN

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