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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Also ermorden ihn die Deutschen mit Hilfe ihres recht umfassenden Agentennetzes in Schweden?
    Das muß falsch sein. Wenn die Nazis Jubelius 1942 ermordet haben, wer soll dann 1990 von Otter und af Klintén umgelegt haben? Doch nicht die Bundesrepublik? Oder eine Nazi-Organisation, die im Untergrund überlebt hat und ein Geheimnis für die Zukunft verwaltet?«
    Åke Stålhandske hielt inne, um Luft zu holen. Dann war es nur ein Tarnmanöver, das Hakenkreuz einzuritzen und den Mann zu foltern. Die Spuren sollten in die falsche Richtung weisen. Immerhin war von Otter ja etwas geschmackvoller hingerichtet worden, oder etwa nicht?
    Wieder falsch. Dann hätte es keinerlei Anlaß gegeben, sich die Mühe zu machen, af Klintén das Wort »Ed« in die Brust zu ritzen. Das würde ja nur zu einem bestimmten Sicherheitschef in Ed in den Jahren 1942 und 1943 führen, dem damaligen O- berst Oxhufvud.
    Wenn Nazideutschland Jubelius 1942 zum Schweigen gebracht hatte, weil er von seinen Gefangenen zuviel erfahren hatte, mußte sich 1990 trotzdem ein anderer gerächt haben. Wenn es 1942 Rache gewesen war, konnte 1990 niemand mehr da sein, der sich rächen wollte.
    Irgendwo befand sich eine falsche Fährte. Oder sie hatten etwas übersehen. Vielleicht war auch ein verrückter Einfall nötig. Sie hatten das Gefühl, im Augenblick nicht weiterzukommen.
    »Die Frage lautet also, warum. Ihr geht dieser Frage nach, während ich in Norwegen bin, und dann werden wir sehen, ob wir jemanden, der Bescheid weiß, in allergrößter Diskretion befragen können«, faßte Carl nachdenklich zusammen.
    »Wer sollte das denn sein? Das könnten wir doch erledigen, wenn du nicht da bist«, entgegnete Åke Stålhandske. Er war etwas gekränkt, weil man ihn wieder nur auf die Aktenstapel verwies.
    »Das könnte nur unser Freund Haugen sein, oder wie der heißt«, sagte Carl und erhob sich. Er streckte die Hand nach einem Aktenordner mit Zusammenfassungen aus. »Ist das alles kopiert?« fragte er im selben Moment, in dem ihm aufging, daß er sich nicht klar genug ausgedrückt hatte.
    »Nein, wenn Haugen befragt werden soll, sollten wir es irgendwie gemeinsam tun. Falls es zu einer Operation in Norwegen kommt, aber das werdet ihr in ein paar Tagen erfahren. Bis dahin viel Erfolg mit den Papieren. Ja, noch etwas. Ich bin mit Sam einer Meinung - ihr habt bisher fast Unmögliches geleistet. Wirklich gut.«
    »Außer bei diesem von Otter«, sagte Joar Lundwall nachdenklich, als hätte er das Kompliment seines Chefs kaum bemerkt.
    »Nein«, sagte Carl mit plötzlicher Schärfe im Ton. »Jedenfalls nicht aus Sams Blickwinkel, denn er will einen Unschuldigen, das heißt einen Nicht-Nazi als Schiffskommandanten haben. Aber woraus geht eigentlich hervor, daß der unschuldig war?«
    Eva-Britt Jönsson war mit einem ansehnlichen Stapel Akten versehen worden, in denen die Polizeigewerkschaft und die Rechtsabteilung der Stockholmer Polizei die Fragen nach schwerer oder leichter Körperverletzung abhandelten. In den Akten befanden sich auch einige Urteile, die als hilfreich angesehen wurden, beispielsweise ein sieben Jahre altes Urteil mit dem Aktenzeichen DB 452, B55/83.
    Ein Polizeiinspektor in ihrem Alter war gegen junge Leute eingeschritten, die in der U-Bahn schwarzgefahren waren. Er selbst und ein Kollege hatten dabei ein junges Mädchen in Gewahrsam genommen, das sich so aufgeführt hatte, wie es Leute eben tun, wenn ein Polizist ihnen an die Kleidung greift. Das heißt, sie hatte Naziärsche geschrien, Schweine, Faschisten, laßt mich los, verdammt noch mal, und derlei. Gleichzeitig hatte sie sich geweigert, Nazis ihren Ausweis zu zeigen, et cetera, et cetera.
    Die Kollegen hatten die junge Frau natürlich in einen der besonderen polizeilichen Gewahrsamsräume in der U-Bahn geschleift. Dort hatte die junge Frau vermutlich wild um sich getreten und geschrien. Dort war der Zirkus in Erwartung des Abtransports weitergegangen.
    Der angeklagte Polizeibeamte hatte der jungen Frau nun zwei Ohrfeigen gegeben und beide gestanden.
    Er verteidigte sich damit, er habe mit den Ohrfeigen einen »medizinischen« Zweck verfolgt, nämlich das »hysterische und durchgedrehte« Mädchen zu beruhigen.
    Eva-Britt Jönsson hatte keinerlei Schwierigkeit, sich die Szene zu vergegenwärtigen. Und sie hatte auch keinerlei Mühe zu verstehen, daß der Kollege nebenan gerade dabei gewesen war, sich die Schnürsenkel neu zu binden, oder eine der sonst üblichen Ausreden vorgebracht hatte.

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