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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Minensperren ausgelegt, hat die deutschen Geleitzüge auf der Ostsee zum Schutz vor russischen U-Booten eskortiert, und die Deutschen durften Schweden sowohl mit Bombern wie mit Aufklärern überfliegen. Es waren siebentausend Flüge über Schweden, während die schwedische Luftabwehr Befehl erhielt, nicht mit scharfer Munition zu schießen. In Luleå wurden jeden Tag für deutsche Rechnung fünfundvierzigtausend Tonnen Eisenerz verladen. Es waren Schweden, die auf die Idee kamen, Juden sollten ein J in ihre deutschen Pässe gestempelt bekommen, damit man sie nicht als politische Flüchtlinge anzusehen brauchte. Die Opposition in Schweden wurde mit Transportverboten gegen Zeitungen zum Schweigen gebracht. Es gab Razzien der Geheimpolizei bei unzuverlässigen Elementen, Selbstzensur bei der verantwortlich empfindenden Presse, und bis August 1943 fuhren einhunderttausend Eisenbahnwaggons mit deutschem Kriegsmaterial durch Schweden.«
    Åke Stålhandske schnappte nach seinem langen Ausbruch nach Luft. In all dem gab es etwas, was ihn tief und persönlich berührte, was Joar Lundwall nicht entging. Doch er wollte trotzdem nicht offen fragen. Wenn Åke erzählen wollte, tat er es sicher von allein.
    »Warum bis zum August 1943?« fragte Joar Lundwall vorsichtig.
    »Das liegt doch auf der Hand. Es waren die Auswirkungen vom 2. Februar desselben Jahres.«
    »Was ist da passiert?«
    »Verdammt, von Geschichte hast du wohl keine Ahnung?«
    »Ja und nein. Ich hatte eine Zwei in Geschichte. Ich kenne jede einzelne schwedische Feldschlacht von 1631 bei Breitenfeld bis 1709 bei Poltawa, wenn du willst. Der Zweite Weltkrieg gehörte aber sozusagen nicht zum Lehrstoff. Wir schafften es bis zum Abitur einfach nicht, dorthin zu kommen.«
    »Nein, eben. Und jetzt beginnst du vielleicht schon zu ahnen, warum, schlauer Nachrichtenoffizier, der du bist?«
    »Ja. Was ist am 2. Februar 1943 passiert?«
    »Stalingrad. Die sechste deutsche Armee wurde vernichtet und kapitulierte, zwar gegen Hitlers ausdrücklichen Befehl, da Deutsche seiner Ansicht nach nicht kapitulieren konnten. Es war also der Wendepunkt des Krieges.«
    »Und das Ende der schwedischen Hurerei mit Nazideutschland.«
    »O ja, aber als Gegenleistung für das mutige Verbot, weiterhin Truppen des verlierenden Deutschland durch Schweden zu transportieren, erhielt man ein Handelsabkommen mit den Alliierten. Der Handel war ja ein Problem. Einundvierzig Prozent des gesamten schwedischen Außenhandels wurden 1941 mit Deutschland abgewickelt, und jetzt ging es darum, Ersatz zu schaffen.«
    »Der Fehler war, daß Per Albin Hansson und seine Leute auf einen deutschen Sieg setzten?«
    »Ja, genau. Aber sie waren die Verräter, nicht die Schweden allgemein. Die Nazis bekamen ja nicht einmal vor Stalingrad genug Stimmen, um in den Reichstag zu kommen. Bei den schwedischen Streitkräften waren gerade mal achtzehn Offiziere als Nazi-Sympathisanten registriert. Nein, zum Teufel, es war die Regierung.«
    »Und der eine oder andere Sicherheitspolizist und Bootsmann und Oberwachtmeister und Generalstabsoffizier, wie wir wissen.«
    »Ja. Der eine oder andere.«
    »Wie kommt es eigentlich, daß du so auf den Zweiten Weltkrieg fixiert bist?«
    »Das ist eine persönliche Sache. Hat etwas mit meinem Vater zu tun…«
    Åke Stålhandske sah aus, als zögerte er etwas, bevor er sich entscheiden konnte weiterzusprechen. Doch in dem Moment klopfte es laut und deutlich an der Tür.
    Sie riefen wie aus einem Mund herein, und der alte, deutschsprechende Major tat einen zögernden Schritt ins Zimmer.
    »Ja, da ist mir noch was eingefallen«, begann er ein wenig unsicher. »Es wundert mich, daß euch diese Sache mit dem Köpfen so überrascht hat. Also, die Deutschen legten ja auf Formalien großen Wert und nahmen alles ziemlich genau. Wer beispielsweise geköpft wurde, war zuvor von einem Gericht verurteilt worden. Erschossen werden konnte man aber wegen aller möglichen Dinge, ob mit oder ohne Gerichtsurteil. Die Pointe der ganzen Geschichte ist aber, ja, ich weiß ja nicht, womit ihr euch beschäftigt, aber es muß ganze Urteile und Gerichtsprotokolle mit der Geschichte dieses geköpften Norwegers geben.«
    Er bekam nur verblüffte Blicke zur Antwort und wirkte plötzlich verlegen, als wäre er in der völlig falschen Veranstaltung gelandet. Das passierte leicht in einer Behörde, in der man in einem Korridor nie wußte, womit man sich im nächsten Zimmer beschäftigte.
    »Also, wenn ihr die ganze

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