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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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begreifen, doch mit dem Gefühl, daß es sich um etwas Unerhörtes handelte. Ein Wort erschien ihnen begreiflich: Scharfrichter , da es sie an ein ähnliches, altertümliches Wort auf schwedisch denken ließ.
    »So kommen wir nicht weiter«, stellte Joar Lundwall fest.
    »Ich habe in der Schule kein Deutsch gehabt. Wie steht es mit dir?«
    »Ich auch nicht. Früher war es in Schweden anders. Da kam es nur auf Deutsch an, und das Englische galt als so eine Art Schwulensprache«, knurrte Åke Stålhandske, stand aber gleichzeitig energisch auf und ging zur Tür.
    »Es muß ja hier noch alte Hasen geben, die Deutsch können«, erklärte er auf dem Weg hinaus. In weniger als einer Minute erschien er wieder mit einem pensionierten Major, der bei der Nachrichtenanalyse arbeitete. Der Major setzte sich feierlich die Brille auf, fuhr zusammen und warf den beiden jüngeren Kollegen einen tiefen, fragenden Blick zu.
    »Versteht ihr wirklich nicht, was das hier ist?« fragte er skeptisch. »Wollt ihr einen alten Kollegen auf den Arm nehmen?« Sie schüttelten energisch und etwas beschämt den Kopf, und zwar gleichzeitig, so daß sie zugleich unbewußt komisch aussahen.
    »Nun ja«, sagte der Major und unterdrückte ein in diesem Zusammenhang höchst unpassendes Lächeln. »Was hier steht, ist folgendes. Ja, ich fasse mich etwas kurz. Es ist ein Protokoll vom 30. Mai 1943.« Der Major gab mit knappen Worten wieder, was das Hinrichtungsprotokoll enthielt. Dann sah er hoch, nahm die Brille ab und legte das Dokument vor den beiden entsetzten jüngeren Männern auf den Schreibtisch. »Ja?« sagte er fragend. »So ist es gewesen. Die Deutschen haben mehr Menschen geköpft, als man glauben könnte. Aber was ist denn mit euch los? Es kann doch niemand gewesen sein, den ihr gekannt habt. Das ist doch 1943 passiert.«
    »Es war einer von uns«, sagte Åke Stålhandske und wischte sich mit beiden Händen irritiert die Tränen aus den Augen. »Es war einer von uns, zum Teufel!«
    Der ältere Kollege zuckte die Achseln und zog sich diskret zurück. Åke Stålhandske schämte sich sowohl seiner Tränen als auch seiner unnötigen Unverschämtheit.
    »Pfui Teufel«, seufzte Joar Lundwall und versank tief in seinen Stuhl. Sie saßen beide eine Weile apathisch da, ohne etwas sagen zu können.
    »Schweden Schweden Vaterland«, sagte er nach einiger Zeit, worauf sich das Schweigen erneut wie eine düstere Dämmerung auf den Raum senkte.
    Das zweite Protokoll sah genauso aus. Åke Stålhandske brachte es schließlich über sich, die Hand danach auszustrecken.
    »Unser zweiter Mann hieß Barly Pettersen. Möchte gern wissen, ob Barly sein eigener Name war oder ein Deckname, den er von dem englischen Nachrichtendienst erhalten hatte. Hier unten steht etwas von neun Sekunden. Bei ihm dauerte es neun Sekunden, bis er geköpft war, also eine Sekunde länger.«
    »Af Klintén und Oxhufvud hätten dort auf dem Schafott stehen müssen.«
    »Und vermutlich auch von Otter.«
    »Nein, von Otter nicht. Weil du vermutlich sagst.«
    »Na ja. Wenn man alle Schweden hinrichten sollte, die den Deutschen im Zweiten Weltkrieg geholfen haben, müßte man wohl mit Per Albin Hansson und diesen Leuten anfangen. Und stell dir unsere drei Freunde von der Sicherheitspolizei vor, die nach Berlin reisten und sich mit Heydrich darauf verständigten, diesen Rasmussen-Hjelmen auszuliefern. Der wurde übrigens auch geköpft.«
    »Die Fallgeschichten sind sich bemerkenswert ähnlich.«
    »Ja, was Schweden betrifft. Schwedische Kriecherei vor den Nazis, die Bereitschaft der Schweden, an der Guilloutine die Gehilfen zu spielen. Hjelmen aber war ein Mann des Widerstands, und diese beiden anderen waren Kollegen von uns.«
    »Ja, es sieht so aus. Wahrscheinlich in England ausgebildet.
    Wie hieß das MI 6 damals übrigens?«
    »Section 6 of Military Intelligence.«
    »Ach ja, jetzt fällt’s mir wieder ein.«
    »Aber das ist doch einfach nicht zu fassen. Zwei Millionen einhundertvierzigtausend deutsche Soldaten von den schwedischen Staatsbahnen transportiert. Um den Deutschen zu helfen, Norwegen zu halten, und um den Deutschen im Krieg gegen Finnland zu helfen. Französische und englische Truppen durften Schweden auf dem Weg nach Finnland nicht durchfahren. Das wäre ein Bruch der Neutralität gewesen. Die Division Engelbrecht war jedoch kein Bruch der Neutralität. Und weißt du was? Die schwedische Marine hat zum Schutz des Angriffs der deutschen Besatzungsstreitmacht gegen Finnland

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