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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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diejenigen, die weiter hinten im Raum saßen und sich über Politik unterhielten, oder die, die auf der Sofagruppe beim Eingang hockten. Doch der vom Jugendamt der Stadt Stockholm bezahlte Anführer oder Barkeeper beschloß trotzdem, dem Krach ein Ende zu machen, bevor aus dem Spiel Ernst wurde. Aus diesem Grund senkte er den Geräuschpegel der Stereoanlage ein wenig und nudelte zum drittenmal an diesem frühen Abend das Horst-Wessel-Lied, um dem Tanz ein Ende zu machen und sich Spielraum zu verschaffen, falls er bei der Prügelei dazwischengehen mußte.
    Ein kurzes Getümmel, dann trennten sich die Wölfe. In genau diesem Augenblick ging so etwas wie ein elektrischer Stoß aus Bedrohung und Gefahr durch den Raum. Mitten auf dem Fußboden stand ein erwachsener Mann aus der anderen Gesellschaft, der Gesellschaft da draußen. Er hatte eine Krawatte, schwarze Schuhe und einen Uniformrock an und hielt eine Schirmmütze unter dem Arm.
    Doch wahrscheinlich nahmen die Skinheads zunächst nicht diese Details wahr. Sie sahen erst die Rangabzeichen, vier goldene Streifen mit einer Öse, und als Militärenthusiasten wußten sie sofort, was das war.
    Jemand schaltete das Horst-Wessel-Lied ab. Einem anderen gelang es, in einer Ecke des Raums ein paar Lampen anzumachen.
    In der plötzlich hervorquellenden Stille sahen sie das gleiche und kamen als Herde zu einer gemeinsamen Einsicht. Der Mann, der da mitten in ihrem Clublokal stand, war Coq Rouge, Carl Gustaf Gilbert Hamilton, ein Mann, der nur - und auch das nur mit Zögern - von Karl XII. persönlich übertroffen werden konnte.
    In dem stillsten Augenblick in der Geschichte der Skinhead-Baracke standen die auf, die gesessen hatten, einer salutierte, ein weiterer versuchte mit dem Hitlergruß zu grüßen, wurde von seinem Nebenmann jedoch brutal daran gehindert, und ein weiterer brach in anscheinend unmotivierte Tränen aus.
    Carl vermutete, daß er jetzt noch einige Sekunden Zeit hatte, die Initiative zu behalten.
    »Ihr wißt, wer ich bin. Ich bin hier, weil wir ein gemeinsames Problem haben. Ich brauche eure Hilfe«, begann er und sah sich um. Er machte eine lange Pause und ließ den Blick in der versteinerten, stummen Versammlung von einem zum anderen gleiten.
    »Wir haben nämlich infolge eines Zusammenstoßes einiger meiner Jungs in der geheimsten Abteilung des Nachrichtendienstes und einigen von euch hier im Zimmer, soviel ich sehen kann, einigen Kummer.«
    Er trat ein paar Schritte vor und ging dann etwas zur Seite, jedoch mehr, um beim Sprechen nicht steif und mechanisch dazustehen, als um Zeit zu gewinnen.
    »Selbstverständlich werden die Streitkräfte denen von euch Schadenersatz leisten, die mit dem Nachrichtendienst zusammengestoßen sind. Selbstverständlich wäre es eine Katastrophe für die schwedischen Streitkräfte, wenn diese Sache herauskäme und die Polizei Leutnant A und Leutnant B schnappt. Ebenso selbstverständlich wäre es eine Katastrophe, wenn ihr einer Zeitung oder sonst jemandem etwas erzähltet, der es an eine Zeitung weitergeben kann. Das würde bedeuten, daß zwei von Schwedens besten Offizieren gefeuert werden und im Gefängnis landen. Es handelt sich zufällig um meine beiden engsten Mitarbeiter.«
    Carl kam zu dem Schluß, daß alles, was er bis jetzt gesagt hatte, ohnehin dem gesamten Kameradenkreis zur Kenntnis gelangen würde, daß er jetzt aber die Grenze des absolut Notwendigen zu überschreiten drohte. Er wippte eine Weile auf den Füßen und ließ den Blick erneut über die Versammlung schweifen. Er achtete darauf, jedem einzelnen in die Augen zu sehen.
    »Ich möchte diejenigen von euch, die Prügel bezogen haben, wie ihr sagt, bitten, mit mir in das Zimmer dort hinten zu kommen, rechts vom Eingang.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging auf das Zimmer zu, das er bezeichnet hatte. Er sah sich nicht um, als hielte er es für selbstverständlich, daß ihm nur die richtigen Personen folgten.
    Als er das Zimmer betrat, hielten sich dort drei Personen auf. Ein junger Mann döste mit einer Bierdose in der Hand unter einem der Stühle, und ein junger Mann und eine junge Frau hockten auf einem anderen Stuhl und gaben sich erotischen Übungen hin. Sie hatten die dröhnende Stille dort draußen offenbar nicht bemerkt. Sie hielten mehr aus Verblüffung über Carls Anblick inne, als daß sie sich gestört fühlten.
    »Ich bitte sehr um Entschuldigung für mein Eindringen, aber ich muß diesen Raum eine Zeitlang ausleihen, ist das in Ordnung?«

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