Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
machte sich keine Illusionen über ihre Einstellung zur Polizei. Wenn sie tatsächlich die war, wofür die Kollegen von Säk sie hielten, mußte er sich auf einen ziemlich unfreundlichen Empfang gefaßt machen.
Das bekümmerte ihn jedoch nicht sonderlich. Er hatte den größten Teil seines Polizistenlebens in verschiedenen Kripo-Abteilungen zugebracht und hatte vermutlich zehntausend mehr oder weniger feindselige Menschen verhört, die mehr oder weniger gut logen. Dies machte sie aggressiv. Vielleicht lag es auch daran, daß die Situation sie verlegen machte, was oft genug zu Aggressivität führte.
Louise Klintén war jedoch nur von kalter Steifheit und korrekt, als sie die Tür aufmachte. Sie trug Jeans und einen glatten, weichen grünen Pullover und ließ nicht im mindesten erkennen, daß sie Ärztin war.
Ihr Mann war offenbar auch Arzt. Sie führte Ewert Gustafsson ins Wohnzimmer. Der Raum verriet ebensoviel über das hohe Einkommen der Bewohner wie über deren politische Neigungen. An den Wänden hing eine Mischung aus moderner Kunst, die teuer, aber unbegreiflich aussah, und gerahmten politischen Postern unter Glas, die absolut unmißverständlich waren. Die Möbel waren von jenem diskreten Typus, der für ein ökonomisch ungeübtes Auge wie von Ikea aussehen konnte, aber fünf oder sechsmal soviel kostete. Zeitlose Eleganz nannte man das. Sie bat ihn, sich zu setzen, und er suchte sich einen hohen, stoffbespannten Sessel mit schmalen hellen Holzlehnen neben dem Sofa aus. Er stellte sein Tonbandgerät auf den rauchfarbenen Glastisch, worauf sie sich aufs Sofa setzte und die Beine hochzog. Dann rückte sie ihre Brille zurecht und betrachtete ihn eher mit Ironie als Feindseligkeit.
»Ja, wie Sie verstehen, Frau Dr. af Klintén…« begann er, wurde aber sofort unterbrochen.
»Klintén, ich heiße Klintén und nicht af Klintén.«
»Nein, Verzeihung. Warum nicht, übrigens?«
Er kannte die Antwort sehr wohl, und sie sah aus, als ginge sie davon aus, daß er es wußte. Sie antwortete aber trotzdem ruhig und wie selbstverständlich.
»Albernheiten. Diese Vorsilbe soll den Eindruck erwecken, als wäre man von Adel. Ich habe ganz einfach keine solchen Neigungen.«
»Hast du etwas dagegen, daß wir uns duzen? Es wird dann oft leichter, sich zu unterhalten.«
»Nein, natürlich nicht, schieß einfach los. Was willst du wissen? Etwa wo ich am Sonntagabend gewesen bin?«
»Ja, damit könnten wir anfangen. Einen Augenblick, ich will erst das Tonbandgerät einschalten.«
Er schaltete das Gerät ein und sprach die Routinesätze: Wer, wann und wo. Dann sah er sie fragend an. Sie holte Luft, als wollte sie sich beherrschen, bevor sie etwas sagte.
»Bin ich des Mordes an meinem eigenen Vater verdächtig? Habe ich das Recht auf einen Anwalt und all das?« sagte sie plötzlich in einem Atemzug.
Ewert Gustafsson beugte sich ruhig vor und schaltete das Tonbandgerät aus.
»Es ist so«, begann er und sah sie eine Zeitlang prüfend an, bevor er fortfuhr. »Du bist nicht verdächtig. Aber in Schweden ist es so, daß die meisten Verbrechen dieser Art von Familienmitgliedern begangen werden. Wir gehen deshalb so vor, daß wir dort anfangen und möglichst früh im Ausschlußverfahren weitermachen. Außerdem ist es ja so, daß gerade Familienangehörige oft Dinge wissen, die wir erfahren müssen.«
»Ihr hört mein Telefon ab und habt Leute losgeschickt, die mich und meine Freunde verfolgen. Das deutet ja in eine ganz andere Richtung.«
Sie sagte es im Tonfall einer ruhigen Feststellung, als könnte es da gar keinen Zweifel geben, obwohl niemand genau wissen kann, ob sein Telefon abgehört wird oder nicht.
»Nein«, erwiderte er, »das tun wir wirklich nicht. Wir haben weder Interesse noch Mittel für so etwas.«
»Bist du bei der Säpo?«
»Nein, warum sollte ich?«
»Weil es denen weder an Mitteln noch an Interesse fehlt. Wo arbeitest du dann?«
»Wie ich schon sagte, beim Gewaltdezernat der Polizei von Norrköping. Unsere Abteilung führt die Vernehmungen durch.«
»Ich bin aber keine Idiotin.«
»Nein, ich habe keinerlei Anlaß, das zu vermuten. Wieso?«
»Ich habe eure Fahndungsbeamten gesehen. Mehrere meiner Genossen haben sie auch gesehen. Ihr glaubt natürlich, hinter einem neuen Kurden-Mord her zu sein. Ich und einige meiner Terroristenfreunde stürmen an einem Samstagabend ins Haus, um meinen Vater zu ermorden und ihm Hakenkreuze in die Brust zu ritzen, weil Leute wie wir am Wochenende nichts Besseres zu
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