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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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Telefonieren ließ er sich so gut wie nie zu einem Extrahäppchen übermaunzen.
    »Isolde ist tot«, wisperte eine brechende Männerstimme.
    Nachtigalls Gedächtnis, noch etwas morgenschwach, versuchte, den Namen in Verbindung zu seinem aktuellen Fall zu setzen. Noch ein Mord?
    »Wer spricht denn da?«
    »Felix Andermatt. Meine Isolde ist tot.«
    »Oh, das tut mir furchtbar leid. Sie war so ein schönes Tier!«, antwortete der Hauptkommissar und meinte es ehrlich. Die zahme Taube mit dem weisen Blick hatte ihn begeistert. »Ein Raubvogel?«, wollte er dann mitfühlend wissen.
    »Ich würde Sie nicht anrufen, wenn Isolde eines natürlichen Todes gestorben wäre, Herr Nachtigall! Ich weiß, dass Sie viel Arbeit haben. Nein! Meine Isolde wurde ermordet!«
    Fängt ja gut an, dachte Nachtigall. Er setzte sich, zog ein Blatt Papier zu sich heran und griff nach einem Kugelschreiber.
    »Was genau ist passiert, Herr Andermatt?«
     
    »Morgen!«, knurrte er eine Begrüßung und schwang sich zu Skorubski in den Wagen.
    »Schlecht geschlafen?«
    »Du glaubst ja gar nicht, was ich geträumt habe! Von blutdurstigen Schafen, die sich gegenseitig auf der Weide zerfleischten und blutgierigen Wölfen, die, wenn sie sich umdrehten, zu bösartigen Hunden mutierten und auf Fledermausflügeln in den Nachthimmel flogen. So ein Shit! Es bekommt mir nicht, wenn ich allein zu Hause bin. Jetzt fühle ich mich wie geschleudert.« Er atmete tief durch. »Na ja. Hilft nichts, den Schlaf muss ich zu anderer Zeit nachholen. Ich bin nämlich heute schon angerufen worden. Der Taubenzüchter, dessen Tiere diese Flöten tragen, hat mir erzählt, man habe seine Taube Isolde ermordet.«
    Skorubski sah Nachtigall fragend an. »Meinst du, das hat mit unserem Fall zu tun?«
    »Schwer vorstellbar, oder? Auf der anderen Seite kann ich es auch nicht ausschließen. Vielleicht hat jemand die Taube umgebracht, damit die Morde aufhören.«
    »Wegen des Schreis des Todesvogels? Komm! Jeder weiß, dass diese Geschichte Aberglaube ist.«
    »Ideologisch agitierte Menschen handeln nicht immer rational. Ehrlich gesagt mache ich mir Sorgen um den Züchter. Erst die Taube, dann der, der sie sendet«, antwortete er düster.
    »Wir könnten hinfahren und uns die Sache ansehen. So zeigen wir auch Präsenz. Wenn wirklich jemand so denkt, schreckt ihn das womöglich ab.«
    »Versuchen wir’s. Ich rufe Michael an.«
     
    Als sie wenig später am Herrenhaus der Gieselkes vorbeikamen, sah Nachtigall nachdenklich zu dessen hoher Fassade auf. Selbst die weiße Farbe konnte dem Gebäude die Düsternis nicht nehmen. Es wirkte kalt und abweisend, signalisierte jedem ungeladenen Besucher deutlich, er sei unerwünscht.
     
    Felix Andermatt hob eine kleine Grube im hinteren Teil seines Grundstücks aus. Ein winziges Holzkreuz lag auf dem Boden, sogar einen Strauß kurzstieliger Rosen hatte der Züchter binden lassen.
    »Herr Andermatt?«
    Der Angesprochene fuhr herum und hob drohend seinen Spaten, das Gesicht wutverzerrt. Doch im nächsten Moment erkannte er seinen Besucher und senkte schuldbewusst die Waffe.
    »Herr Nachtigall! Entschuldigen Sie bitte. Ich bin etwas nervös.«
    »Sie haben Angst.«
    »Oder so. Wer sagt mir denn, dass ich nicht das nächste Opfer dieses Irren bin?«
    »Darüber haben wir auch schon nachgedacht. Glauben Sie, der Hass Ihrer Nachbarn geht so tief?«
    »Wer weiß das schon? Könnte doch sein, jemand durchdenkt sich diese Angelegenheit mal bis zum Ende. Und der würde erkennen, dass, wenn er den Züchter tötet, auch die Tauben verschwinden. Alle. Mit einem Schlag. Wäre demnach das ökonomischere Vorgehen.«
    »Am Telefon haben Sie gesagt, Isolde wurde ermordet.«
    »Schlimmer geht’s kaum. Ein perverses Schwein, wenn Sie mich fragen.«
    »Wo haben Sie Isolde denn gefunden?«
    »An der Tür. Meiner Haustür. Ich darf sie noch nicht abnehmen, die Polizei will sich das noch ansehen –«, er vorzog die Lippen zu einer Andeutung eines traurigen Lächelns, das seine Verlorenheit deutlich machte, »aber die ist ja jetzt da. Dann kann ich meinen Liebling endlich bestatten.«
    »Moment noch.«
    Peter Nachtigall kehrte mit Albrecht Skorubski in den vorderen Teil des Gartens zurück. Vor der Tür hielt er abrupt an.
    »Das kann ich nicht glauben!«, zischte er erschüttert. »So etwas tut doch niemand!«
    Die weiße Taube hing mit gespreizten Schwingen an der Tür. Der kleine, kurze Schnabel war mit Klebeband umwickelt, wohl um Hilfeschreie des Tieres zu

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