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Gurkensaat

Gurkensaat

Titel: Gurkensaat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Steinhauer
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aufgerissen und Nele Hain prallte erschrocken zurück.
    »Haben Sie mich jetzt erschreckt!«, stellte sie vorwurfsvoll fest.
    »Tut mir aufrichtig leid.«
    »Haben wir noch irgendetwas zu besprechen?«, fragte sie ungnädig und schob die Sonnenbrille zurecht. »Wenn nicht, würde ich jetzt gerne meine Tochter aus der Klinik abholen. Wir dürfen im DaCapo ein Eis essen.«
    Als er später mit Albrecht Skorubski wieder ins Büro fuhr, überlegte er, warum er ihr in jenem Moment gerade diese Antwort gegeben hatte. Er konnte es nicht erklären.
    So meinte er zu seiner eigenen Überraschung: »Ich werde den Eindruck nicht los, dass Sie eigentlich mit mir sprechen möchten, ist es nicht so, Frau Hain?«
    Aus weit aufgerissenen Augen starrte sie den Hauptkommissar unverwandt an. Sie begann, mit ungelenken Bewegungen am Verschluss ihrer Handtasche zu nesteln, klopfte auf die Außentaschen des schwarzen Mantels, zog ein Schlüsselbund hervor, sah es ratlos an, steckte es wieder ein.
    Nachtigall beobachtete sie genau.
    Endlich schien sich Nele Hain zu einer Antwort durchgerungen zu haben. Sie seufzte tief, setzte die Brille ab, rieb sich vorsichtig unter den Augenlidern entlang, um die Wimperntusche nicht zu verschmieren, schniefte.
    »Mühlberg hat Sie geschlagen?«
    Auf diese Frage ging Nele Hain nicht ein.
    Mit zitternder Stimme erklärte sie: »Vorhin war irgendwie alles noch so logisch. Klar. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher.«
    »Sagen Sie mir einfach, was Sie denken. Wir finden schon heraus, ob es stimmt.«
    »Ich bin so durcheinander. Ich weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll. Aber die SMS war eindeutig.« Überhastet sprudelten alle Informationen aus ihr heraus. Der Hauptkommissar hörte aufmerksam zu, ohne sie ein einziges Mal zu unterbrechen. Am Ende schluchzte sie laut auf: »Ich kann doch unmöglich weiter mit dem Mörder meines Sohnes unter einem Dach leben!«
    Nachtigalls Gedanken überschlugen sich. Konnte das der Grund für Annabelles ›Sprachlosigkeit‹ sein? Sie hatte den coolen, neuen Vater bei der Tat beobachtet. Ein Dilemma für die Kleine, ein unlösbarer Konflikt. Entweder würde man glauben, sie beschuldige Mühlberg aus Neid oder um sich an ihrer Mutter zu rächen, manche würden auch behaupten, sie belaste Mühlberg nur, um vom wahren Täter abzulenken. Sie konnte nicht erwarten, dass ihr jemand diese Geschichte glaubte.
    »Richard hat sich mit skrupellosen Menschen eingelassen. Vielleicht war mein Kleiner so eine Art Pfand!«, rief Frau Hain, dann war sie um die Ecke verschwunden.
     
    Richard Mühlberg gab sich wenig später keine Mühe, seinen Ärger zu verbergen. »Sie und Ihre dämlichen Hirngespinste! Nur weil mir in einem ehelichen Streit mal die Hand ausrutscht, bin ich noch lange kein Mörder. Nele hat mir den Schlag sofort verziehen. Niemals hätte ich das Leben unseres Sohnes bewusst gefährdet!«
    »Wenn Sie eine andere Erklärung für die SMS haben, bin ich interessiert, sie zu erfahren!«, schnaubte Nachtigall zurück.
    »Was ich in meiner Freizeit unternehme, hat mit diesem Fall nicht das Geringste zu tun. Ich treffe mich hin und wieder mit Freunden. Das ist keine Straftat!«, blaffte der andere.
    Albrecht Skorubski sah amüsiert vom einen zum anderen. Wie Kampfhähne, dachte er, und machte sich bereit einzugreifen, falls das nötig wurde.
    »Illegales Spiel aber schon!«
    Mühlberg zuckte deutlich zusammen. »Es geht dabei doch nur um Geld! Verstehen Sie, niemand würde für so eine lächerliche Summe töten! Überhaupt«, seine Stimme überschlug sich, »keiner aus meinem Bekanntenkreis käme je auf den Gedanken, einen Mord zu begehen. Und ganz bestimmt nicht an einem Kind!«
    »Wie gering ist die Summe denn?«
    »Das geht Sie einen feuchten Dreck an! Mit diesen Leuten bin ich befreundet, die schicken mir auch mal eine Zahlungserinnerung aufs Handy – aber zur Bekräftigung ihrer Forderungen bringen sie niemanden um!« Er nestelte sein Mobiltelefon aus der Gesäßtasche und gab mit fliegenden Fingern einige Befehle ein.
    »Nele ist traumatisiert, das müssen Sie doch verstehen. Sie sieht überall Gespenster. Und meine Treffen waren ihr schon immer ein Dorn im Auge. Unter normalen Umständen hätte sie Ihnen von der SMS gar nichts erzählt, aber Sie haben meine Frau in einem äußerst erregten Zustand getroffen, da werden harmlose Dinge manchmal überbewertet.«
    Er reichte Nachtigall das Handy und ließ ihn die Nachricht lesen. Der Hauptkommissar verzog keine Miene.

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