Gurkensaat
»Wo waren Sie am Mittwoch gegen 15 Uhr?«, fragte Nachtigall drohend. »Und kommen Sie uns nicht wieder mit der Besprechung, das haben wir überprüft. Die Konferenz war gegen 13.30 Uhr beendet.«
Mühlbergs Gesicht blieb verschlossen.
»Ein Alibi wäre in Ihrer Situation sicher hilfreich«, gab Skorubski zu bedenken.
»Da muss ich erst in meinem Kalender nachsehen!«, schimpfte der junge Mann.
»Herr Mühlberg!«, wies der Hauptkommissar ihn zurecht. »Das kann ja nicht so schwer sein, sich daran zu erinnern, es war schließlich kein x-beliebiger Tag! An diesem Nachmittag wurde Maurice getötet!«
Mühlberg schluckte trocken. »An jenem Nachmittag habe ich einen alten Freund getroffen. Nele kann ihn nicht ausstehen, darum habe ich ihr nichts davon gesagt. Vor einiger Zeit musste ich ihr versprechen, ihn nie mehr zu treffen. Herrgott! Ich werde auswandern! Wer weiß, ob und wann ich die Leute wiedersehe. Wir haben im Lauterbach entspannt einen Kaffee getrunken, ich habe von unseren Zukunftsplänen erzählt, er mir davon, wie neidisch er sei, er versuche schon seit Jahren, seine Freundin zu überreden, nach Kanada auszuwandern. Er möchte gern nach British Columbia. Aber sie weigert sich. Neulich erst hat sie irgendwo gelesen, rohe Robbenleber sei dort eine Delikatesse. Das macht ihr die Kanadier noch unsympathischer.«
»Kann es nicht sein, dass Sie uns hier ein wunderbares Märchen auftischen und in Wahrheit einen Freund getroffen haben, der wissen wollte, wann Sie endlich Ihre Schulden bezahlen?«
Trotzig antwortete der junge Mann: »Ich werde Ihnen nicht auch noch Munition für Ihre perversen Fantasien liefern!«
Damit wandte er sich um und griff in die Innentasche seines Jacketts, das lässig über einer Stuhllehne hing. »Hier ist mein Kalender. Sehen Sie?«, er deutete mit dem Finger auf eine Eintragung. »Hier steht es. Adam um 14 Uhr im Café Lauterbach, des guten Kuchens wegen, den ich sicher in Quebec vermissen werde. Danach ein geschäftlicher Termin mit Jörg Fleischer im Coffeelatte.«
»Um was ging es bei diesem geschäftlichen Termin?«
»Ich betreue diesen Kunden seit vielen Jahren und er war mit meinen Leistungen stets sehr zufrieden. Ich habe ihn über meinen Weggang informiert und ihm empfohlen, sich an einen meiner Kollegen in der Firma zu wenden, der würde die Arbeit sicher auch in seinem Sinne weiterführen. Das war der dringende Wunsch meines Chefs, damit Herr Fleischer sich nicht nach einer anderen Firma umsieht.«
»Der Name Ihres Freundes? Sie verstehen natürlich, dass ich Ihr Alibi sofort überprüfen muss.«
»Adam Brenner. Sie finden alle Nummern im Handy.« Damit stapfte er in Richtung Küche davon.
Nachtigall tippte die Nummer aus dem Display in sein eigenes Mobiltelefon. Es dauerte ziemlich lang, bis der Teilnehmer sich meldete.
»Jörg Fleischer!« Eine harte Stimme. Sehr jung.
»Entschuldigen Sie die Störung, Herr Fleischer. Mein Name ist Peter Nachtigall von der Kriminalpolizei in Cottbus. Wir benötigen nur eine kurze Auskunft im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung von Zeugen«, erklärte der Ermittler ein wenig umständlich.
»Aha?« Die Stimme klang nun nicht mehr so forsch.
»Können Sie uns sagen, wo Sie am letzten Mittwoch gegen 16 Uhr waren?«
»Oh, Moment. Ich hab’s gleich. Sehen Sie, am Wochenende ist meine Sekretärin nicht hier, sie findet solche Dinge immer rasend schnell heraus. Ich muss mühsam blättern. Hier! Ich hatte eine geschäftliche Besprechung in Cottbus.«
»Wo genau?«
»Am Altmarkt. In einem Café mit self-service. Coffeelatte, steht hier in meinem Kalender. Mit Herrn Richard Mühlberg.«
»Darf ich fragen, um was es bei diesem Gespräch ging?«
»Nein. Das dürfte Sie wohl kaum etwas angehen«, gab Fleischer schneidend zurück.
»Da mögen Sie recht haben. Aber wir ermitteln in einem Mordfall. Jede Unterstützung könnte hilfreich sein.«
»Also schön. Herr Mühlberg verlässt Deutschland. Seit Jahren betreut er mein kleines Unternehmen sehr zuverlässig, er supportet meine Computer, installiert neue Programme und betreut meine Website. Fleischer Heizung und Sanitär.«
»Danke. Das war’s auch schon. Schönes Wochenende.«
Daraufhin rief Nachtigall den Freund an, der das Treffen im Lauterbach ebenfalls bestätigte. Unter der Nummer, die als Absender der SMS angegeben war, meldete sich niemand. Nachtigall wollte zunächst darauf verzichten, sich Alibis für die beiden anderen Tatzeiten geben zu lassen.
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