Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
am ganzen Körper anzufassen. Ja, sie wollte unbedingt herausfinden, was er mit »mehr« meinte.
Doch da gab es nur ein klitzekleines Problem. Eine Beziehung, die von Dauer sein sollte, musste man auf der Wahrheit aufbauen. Sie musste ehrlich zu ihm sein.
Keine Lügen mehr.
Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne malten das Tal blau-rosa, als Quinn seine Aussage im Fall Raymond Deluca beendet hatte. Erleichtert stieß er die Glastüren des Gerichtsgebäudes von Ada County auf und atmete tief die frische Luft ein. Draußen fädelte sich ein tiefergelegter Nissan mit schrillem Heulen in den Verkehr, der auf der Myrtle Street vorbeibrauste. Eine kühle Aprilbrise zerrte an Quinns rotem Schlips und dem Kragen seines marineblauen Wollblazers, während er über den Backsteinbürgersteig zum Parkplatz ging.
Raymond Delucas Verteidiger hatte Quinn, wie erwartet, scharf attackiert. Er hatte den Zeitablauf und das gerichtsmedizinische Beweismaterial in Frage gestellt, um es so aussehen zu lassen, als hätte Quinn seinen Job nicht getan. Nach sechzehnjähriger Erfahrung war Quinn jedoch auf alles vorbereitet, was der Anwalt ihm an den Kopf warf, und die Benzintransaktion um 2.35 Uhr hatte nicht einmal der Rechtsverdreher diskreditieren können.
Quinn überquerte den Parkplatz und schloss die Tür seines weißen Zivilfahrzeugs auf. Mr. Deluca würde wegen Mordes vor Gericht gestellt und wahrscheinlich die Todesstrafe bekommen. Quinn nahm an, dass er sich bei dem Gedanken
schlecht fühlen müsste. Vermutlich wäre das die normale, menschliche Reaktion, doch er war bei der Autopsie von Mrs. Deluca und den drei Kindern zugegen gewesen und hatte mit eigenen Augen gesehen, wie das Feuer sie zugerichtet hatte. Daher war sein Mitgefühl im Moment für die Opfer reserviert.
Er startete seinen Wagen und fuhr durch die Stadt. Er bog in die Grove Street ab, vorbei am Grove Hotel mit seiner berühmt-berüchtigten Fluss-Skulptur an der Fassade.
Die Skulptur sollte eigentlich den Fluss Boise darstellen, erinnerte jedoch eher an einen Erdbebenschaden. Es war nichts Außergewöhnliches, wenn Touristen mit irritiert zusammengezogenen Augenbrauen vor der mehrfarbigen Spalte standen und sich fragten, was, zum Teufel, sie da vor sich hatten. Um die Verwirrung komplett zu machen, stieg aus der Spalte manchmal Dampf, der Nebel ähneln sollte. Tat er aber nicht.
Quinn räumte bereitwillig ein, ein Kunstbanause zu sein. Aber in der Stadt gab es echt coole Skulpturen; die Spalte im Grove Hotel gehörte nicht dazu.
Er hielt an einer roten Ampel und griff nach seiner Sonnenbrille. Jetzt, wo der Deluca-Fall abgeschlossen war, musste er an Lucy denken. Er war ein Cop. Ausgebildet, um auf Details zu achten und ein perfektes Erinnerungsvermögen zu haben, doch es bedurfte keiner beruflichen Tricks, um sich an jede Sekunde des vergangenen Abends zu erinnern, als er mit ihr auf der Veranda gestanden und sie geküsst hatte. Er hatte ihr Gesicht in den Händen gehalten, ihr weiches, verwuscheltes Haar durch die Finger gleiten lassen. Ihr Mund hatte nach warmer Frau geschmeckt, und sie hatte
sich an ihn geschmiegt. Er hatte sich ins Gedächtnis gerufen, dass er nur seinen Job machte. Dass die Frau, die mit den Händen über seine Brust strich und ihn hart genug machte, um Nägel einzuschlagen, eine Mordverdächtige war. Er hatte seine Hände auf ihrem Gesicht gelassen, damit sie nicht zu interessanteren Stellen weiter unten wanderten. Vielleicht hätte er seinem Verlangen sogar nachgegeben, ihre Taille, Hüften und Brüste zu berühren. Sie so verrückt zu machen wie sie ihn, aber dann hatte sie ihre Hände zu seinem Rücken gleiten lassen, und er musste schnell ihre Handgelenke packen, bevor sie das Tonbandgerät in seinem Kreuz entdeckte.
Quinn hätte nur allzu gern ihre erste und zweite Einladung auf einen Kaffee angenommen. Er wäre ihr nur allzu gern nach drinnen gefolgt und hätte ihren BH inspiziert, bevor er sein Gesicht in ihrem Dekolletee vergraben hätte. Er hätte sie verdammt gern bis auf die Haut ausgezogen und wäre mit ihr in den Nahkampf gegangen, doch er durfte ihr nicht ins Haus folgen und über sie herfallen. Breathless vollbrachte ihr Werk im Bett des Opfers, nicht in ihrem eigenen. Zugegeben, vielleicht hätte er Lucy trotzdem nach drinnen folgen und mehr Informationen aus ihr herausquetschen sollen, doch er hielt nichts von langwierigen Folterqualen.
Die Ampel sprang auf Grün, und als er endlich ins Büro kam, war seine
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