Gut geküsst ist halb gewonnen: Roman (German Edition)
er ihr noch mehr Angst machte, als sie sowieso schon hatte.
Sie starrte ihn lange an. Dann sagte sie, als hätte sie eine Wahl: »Ich will da nicht reingezogen werden. Das ist doch krank.«
»Zu spät.« Er löste seinen Schlips wieder und deutete auf die Briefe. »Sie hat dich da schon reingezogen. Ich will dir keine Angst machen, aber die Sache ist ernst. Eine Psychopathin hat beschlossen, die Hand nach dir auszustrecken, weil sie sich durch deine Arbeit mit dir verbunden fühlt.«
»Das ist mir klar, aber kannst du nicht einfach die Briefe nehmen und mich da raushalten?«
Er wünschte, das könnte er. Mehr als sie ahnte. Im Normalfall wäre er entzückt, wenn ein Serienmörder endlich redete, und würde jeden Aspekt beleuchten und schon den nächsten Schritt planen. Diesmal nicht.
»Wir können Sie, soweit es geht, aus den Ermittlungen heraushalten«, sagte Kurt, der den »guten« Cop spielte und ihre Hand tätschelte, um ihre Nerven zu beruhigen. »Aber ich glaube nicht, dass die Sache damit erledigt ist. Sie wird wieder Kontakt zu Ihnen aufnehmen. Wirklich schlau von Ihnen, beim Öffnen des dritten Briefs Handschuhe anzuziehen.«
Quinn schob ihr die Umschläge zu. »Sind dir die Poststempel
aufgefallen?« Es war eine rhetorische Frage. »Sie hat die Briefe drei bis vier Tage nach jedem Mord aufgegeben.«
»Was bedeutet, ich sollte heute oder morgen wieder einen bekommen.«
»Genau. Ich nehme an, du hast heute noch nicht in deinem Postfach nachgesehen.«
»Nein.«
»Wenn du uns den Schlüssel gibst, können wir das erledigen.«
Sie schüttelte den Kopf und stand auf. »Nein, ich bekomme in dieses Fach wichtige Geschäftspost. Ich fahre selbst.«
»Gerade hast du noch gesagt, du wolltest aus den Ermittlungen rausgehalten werden.« Was unmöglich war. Das wusste sie bloß noch nicht.
»Ich weiß, aber ich kann nicht zulassen, dass irgendwer meine Post durchwühlt.«
Es war leichter, nicht mit ihr zu streiten, und Quinn schob das Beweisaufnahme-Set in seinen Matchbeutel und zog den Reißverschluss zu. »Ich fahr dich hin.«
»Nein, danke.«
»Das war kein Vorschlag, Lucy.« Sie klappte den Mund auf, um zu widersprechen, doch er schnitt ihr das Wort ab. »Ich kann mir natürlich auch einen Durchsuchungsbefehl besorgen und den gesamten Inhalt des Postfachs beschlagnahmen.«
»Aber das wollen wir nicht«, warf Kurt hastig ein, um sie zu besänftigen.
Sie schnappte sich ihre Handtasche von einem Küchenstuhl, und Quinns Blick glitt von ihrem Gesicht über die
Schnürbänder ihrer pinkfarbenen Bluse und die Jeans zu ihren Füßen. Sie trug braune Sandalen mit einer Schlaufe über den großen Zehen. Ihre Fußnägel waren rot lackiert. »Na gut, aber ich fahre«, kapitulierte sie und marschierte zur Hintertür hinaus.
»Vielleicht sollte ich lieber mitfahren«, bot Kurt an. »Sie milde stimmen, damit sie kooperiert. Sie mag dich nicht besonders.«
Quinn hob den Blick zu ihrem Hinterteil. »Sie wird’s überleben«, murmelte er und richtete seine Aufmerksamkeit auf den Kollegen.
Kurt sammelte die Beweisstücke ein, die in durchsichtigen Plastiktüten versiegelt waren, und steckte sie in sein Notizbuch. »Was ist zwischen euch beiden vorgefallen, wovon ich nichts weiß?«
»Nicht viel«, log Quinn. Nur er und Lucy wussten, was in seinem Hausflur vorgefallen war, und aus ihm würde Kurt sicher nichts herauskriegen.
»Du schaust sie an, als sei etwas vorgefallen.«
»Ich schaue sie überhaupt nicht irgendwie an.« Quinn schnappte sich das kleine Beweisaufnahme-Set wieder aus dem Matchbeutel. Wider besseres Wissen hoffte er, dass Kurt das Thema auf sich beruhen lassen würde.
»Doch, tust du. Du glotzt sie an, als wärst du am Verhungern und sie ein leckerer Schnittchenteller.« Kurt schüttelte den Kopf. »Nur schade, dass sie dich anschaut, als hättest du ihren fettleibigen Kater plattgetreten.«
Kurt redete gequirlte Scheiße, aber Quinn hatte keine Zeit, hier rumzustehen und sich mit ihm zu streiten. »Vergiss nicht, Fotokopien davon zu machen, bevor wir sie ins
Labor geben. Wir sehen uns im Büro«, brummte er und ging nach draußen, wo Lucy ihren silbernen BMW schon rückwärts aus der kleinen Garage fuhr. Er öffnete die Beifahrertür und ließ sich in die rote Lederpolsterung und die feindselige Atmosphäre sinken.
»Schöner Wagen«, meinte er, als er nach seinem Sicherheitsgurt griff.
»Mir gefällt er.« Sie legte den ersten Gang ein und hinterließ in der engen Gasse fast eine
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