gute freunde - boese freunde
Regeln, wie eine Freund schaft auszusehen hat, sie kann die Form annehmen, die wir ihr geben)
Einige dieser Punkte sind jedoch nicht so einfach, wie sie auf den ersten Blick erscheinen. Zum Beispiel die Freiheit. Einerseits gestehen sich FreundInnen gegenseitige Freiheit zu, jeder soll tun, was er will (und beide sollen sich möglichst gegenseitig dabei unterstützen). Andererseits ist die Freiheit des einen durch die Freiheit des anderen begrenzt: Wenn das Verhalten des einen das Leben des anderen negativ beeinflusst, wird die Freundschaft darunter leiden.
|67| Ähnlich verhält es sich mit Offenheit und Ehrlichkeit. Natürlich möchten wir unseren FreundInnen gegenüber wahrhaftig sein und, sollte es uns notwendig erscheinen, Kritik an ihrem Verhalten üben können. Und doch halten wir uns mit der Äußerung von Gedanken, von denen wir annehmen, dass sie unsere Freunde verletzen würden, zurück. Wir versuchen, jede Kritik auf eine Weise zu formulieren, die den weiteren Umgang miteinander ermöglicht und das Grundvertrauen des anderen in meine positive Grundhaltung nicht erschüttert. Wir schützen unsere FreundInnen somit vor zu viel Offenheit.
Was die Ähnlichkeit und das Vertrauen angeht: Einerseits möchten wir unsere FreundInnen kennen und wissen, wie sie drauf sind (wir bilden uns oft sogar einiges darauf ein, sie »besser« zu kennen als sie sich selbst), andererseits wäre eine Freundschaft natürlich auch ziemlich langweilig, wenn sie uns nicht doch mal überraschen und uns einen neuen Wesenszug an sich offenbaren. Zu viel Neuheit allerdings wäre irritierend, und wir wüssten kaum mehr, wer diese Person, die kürzlich noch unsere Freundin war, ist – zuwenig dagegen wäre langweilig, da wir uns dann kaum mehr mit ihr unterhalten müssten, wir wüssten ohnehin, was sie uns erzählt.
Ich habe mehrere Personen gefragt, was Freundschaft für sie bedeutet.
Beata schilderte ihre Freundschaften als unsichtbare Verbindungen, als »kosmisches Band«, über die sie mit ihren FreundInnen überall in der Welt vernetzt ist. Auch wenn man sich nicht oft sehe, könne sie sich doch darauf verlassen, dass ihre Freunde für sie da sind, wenn sie Hilfe braucht − so wie sie im Gegenzug ihnen hilft, wenn dies vonnöten ist. Da ihre FreundInnen nicht in ihrer Nähe wohnen, wird der Kontakt über E-Mail und Telefon aufrechterhalten, doch versucht sie, diese sooft wie möglich leibhaftig zu sehen. Als es einer Freundin schlecht ging, fuhr |68| Beata zu ihr: »Manches kann man einfach nicht über Telefon und Mails klären. Sie würde mich dann nur missverstehen.«
Auch für die anderen von mir befragten Jungen und Mädchen waren Verlässlichkeit und ein Gefühl von Sicherheit und Vertrauen sehr wichtig für eine Freundschaft. »Grundvertrauen« nannte Lisa dieses Gefühl und sagte, dass sie sich bei ihrer Freundin verstanden fühlen muss, auch wenn sie mal komisch ist. Die Freundschaft kann kleinere Irritationen aushalten, der Freund kann Dich kritisieren, aber hält erst mal weiter zu Dir, auch wenn er Dich gerade nicht versteht. Lisa betonte auch, dass es in einer Freundschaft möglich sein müsse, sich jenseits von Rollenerwartungen zu verhalten. (Als soziale Rolle bezeichnet man ein bestimmtes, einer festgelegten »Norm« entsprechendes Verhalten. So dürfen Kinder lärmend spielen und herumrennen – wenn aber Erwachsene dies tun, werden sie mindestens schief angesehen. Dieses Verhalten gilt also bei Kindern als normal, bei Erwachsenen nicht, ihre soziale Rolle sieht andere Verhaltensweisen vor. Von ihnen wird erwartet, dass sie ihre Gefühle stärker als Kinder beherrschen und kontrollieren.)
Zurück zur Freundschaft: Hier trauen wir uns eher, auch andere Seiten von uns zu zeigen oder andere Rollen auszuprobieren. Die Freundschaft ist – wie die Familie – Gesellschaft im Kleinen. Ich kann hier in mir freundlich gesinnter Umgebung austesten, wie mein Verhalten wirkt. Vielleicht irritiert es meine Freunde, vielleicht lachen sie sogar kurz über mich. Aber sofern sie wirkliche Freunde sind, stehen sie zu mir, akzeptieren und unterstützen mich oder kritisieren mich offen, geben mir also ein Feedback.
Massimo, der Programmierer, der so gerne ins Kino geht, erzählt, die engste Freundschaft habe er zu einem Freund aus Kindertagen. Diese Freundschaft habe trotz zahlreicher Umzüge und persönlicher Veränderungen standgehalten und sich mitentwickelt, |69| Massimo sagt, sie sei sogar um einiges belastbarer als die
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