gute freunde - boese freunde
es etwas ruhiger zugehen soll. Zum Unterhalten und Quatschen ist das Café da.« Außerdem gibt es professionell ausgestattete Konferenzräume für acht bis zwölf Personen; für größere Events kann man das Café mieten.
Ein Schreibtisch im Betahaus kostet 12 Euro pro Tag und wird von Tag zu Tag günstiger: 49 Euro pro Woche, 129 pro Monat. 50 Euro für einen Briefkasten und zehn pro Stunde für einen Meetingraum. Kündigungszeit monatlich. Wer einen eigenen Schlüssel will, muss mehr zahlen und hat eine längere Kündigungszeit, kann dafür aber auch nachts ins Haus. »Aber das wollen die meisten unserer User gar nicht«, berichtet Madeleine. »Sie sind froh, wenn ihr Arbeitstag eine Struktur bekommt, wenn sie einen festen Feierabend haben.« Morgens mit der U-Bahn in die Prinzessinnenstraße, Kaffeepause mit Kontakt, Lunch inklusive Vernetzung, Ansprechpartner bei Bedarf – daheim oder in der Bibliothek wäre es billiger, aber auch einsamer.
Das Betahaus wird inzwischen als Modell für die Zukunft der Büroarbeit gefeiert; neue Dependancen wurden in Lissabon und Hamburg eröffnet, weitere sind geplant.
» Ein Experte für Freie Berufe: »Selbstständige sind vor allem in der Startphase oft isoliert. Sie vernachlässigen ihre sozialen Kontakte,weil ihnen die Zeit fehlt und geraten so in einen Teufelskreis. Es fehlt ihnen der Informationsaustausch, |159| was wiederum zu Motivationsverlusten führt. Plattformen wie das Betahaus fangen diese fehlenden Infrastrukturen auf. Statt Einzelbüro oder heimischer Schreibtisch nun also – wieder – Großraumbüro. Der große Traum von totaler Selbstbestimmung wird still zu Grabe getragen und ersetzt von der Erkenntnis, wie wichtig Kommunikation ist.«
Aus der Statistik des Betahauses: Seit 1. April 2009 arbeiten hier rund 120 Freiberufler aus der Kreativszene – Grafiker, Programmierer, Fotografen, Architekten, Designer, eine Konzertagentur, Buchhalter, Akademiker, Rechtsanwälte, Übersetzer, Videokünstler, Journalisten und Blogger.
Der größte Teil ist selbstständig oder »in Gründung«, einige wenige Festangestellte bestätigen nur die Regel. Die Betahaus-Arbeiterschaft setzt sich aus einer sehr vielfältigen Gruppe zusammen, im Hinblick auf Tätigkeit, Gehalt (unter 1.800 bis über 5.000 Euro) und Alter (22 – 47 Jahre).
Erster Tag im Betahaus: Der neue User meldet sich im Café an und sucht sich einen Schreibtisch (grüner Punkt auf der Platte = frei zur Nutzung, roter Punkt = reserviert). Er zieht seinen Stromanschluss von der Decke herab, schließt seinen Laptop an und kann, wenn er mag, sofort losarbeiten. Anbindung an Berlins dickster Glasfaserleitung inklusive, ebenso wie Fairuse von Drucker, Scanner, Kopierer und Fax. Und zweimal täglich italienischer Kaffee direkt an den Schreibtisch.
»Schau mal dort hinten.« Madeleine von Mohl zeigt in eine sonnige Ecke, in der mehrere Schreibtische über Kreuz stehen. Zwei junge Frauen sitzen dicht nebeneinander über einen Laptop gebeugt: »Dort entsteht einmal im Monat ein sehr interessantes Magazin für Frauen. In der Produktionsphase kommen noch – je nach Bedarf – mal drei, mal fünf, mal sieben freie Mitarbeiter |160| dazu. Dann schieben wir einfach ein paar Schreibtische mehr in die Ecke, stellen die Pflanzen um – und schon ist das Team ungestört.«
Sie geht weiter. »Hier vorn«, sie weist auf einen leeren Platz in der Nähe der Postfächer, »sitzt einmal im Monat eine Woche lang ein Webdesigner, dem ich anmerken kann, dass er in den anderen drei Wochen kaum ein Wort mit irgendjemandem im real life gewechselt hat. Der kommt zu uns, um endlich wieder mal unter Leuten zu sein.«
Unten im Café ist inzwischen jeder Platz besetzt. Einmal pro Woche gemeinsames Frühstück: Joghurt, Käsebrote und das Gespräch mit dem Nachbarn. Bei einigen bestimmt auch Hoffnung auf Aufmunterung und Inspiration. Keine Angst vor Ideenklau? Madeleine winkt ab: »Bei uns finden sich viel eher Teams zusammen, um gemeinsam zu arbeiten.
Da werden keine Kunden abgejagt. Im Mittelpunkt steht vielmehr der Gedanke, dass das Endergebnis besser wird, wenn mehrere Menschen an einer Idee basteln.«
Und wie passt das alles zusammen mit den vielen Zeitgeist-Geschichten aus den Hochglanz-Magazinen, in denen von der |161| neuen Elite geschwärmt wird? Von den einsamen »Digitalnomaden«, der coolen »Avantgarde mit den Notebook«, die »auf das Diktat der Anwesenheitskultur pfeift« ebenso wie auf den »nine-to-five-job«?
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