gute freunde - boese freunde
Schuhe, der eine hockt in der Kneipe, die andere vor der Glotze. Wenn man sich anschaut, wie diszipliniert und ausdauernd Jugendliche |148| in Bezug auf Sport sein können, welchen Ehrgeiz sie entwickeln können, wenn es darum geht, einen neuen Trick mit dem Skateboard oder BMX zu lernen, dann sieht man ziemlich deutlich, wie wichtig es für Jugendliche ist, EIGENE Ziele zu haben. Immer wieder Erfolge selbst zu spüren und auch von anderen Anerkennung dafür zu bekommen.
Computerspiele sind so programmiert, dass jeder sie in einer gewissen Zeit lernen kann. Talent braucht es dazu nicht, und körperliche Voraussetzungen spielen keine große Rolle. Und für jeden noch so kleinen Fortschritt wird man belohnt. Das motiviert ungemein. Je fesselnder ein Spiel, desto bessere Kritiken bekommt es in Spiele-Zeitschriften oder auf einschlägigen Gamer-Internetseiten. Dementsprechend setzen Spiel-Entwickler viel daran, die Sogwirkung der Spiele immer weiter zu erhöhen. Sei es durch ansprechende Grafik, durch ein ausgeklügeltes Belohnungssystem, spielerische Freiheiten, die nicht mehr nur einer linearen Story folgen oder auch durch noch detailliertere Darstellungen von Gewaltausübung etc. Schon einige Male habe ich als Eigenwerbung für ein Spiel Sätze wie »Macht absolut süchtig« gesehen. Auch Jugendliche nutzen die Bezeichnung »süchtig machend« als Qualitätskriterium. In einigen Spiele-Zeitschriften wird bei Testberichten sogar das Suchtpotenzial mit angegeben, wobei ein hohes Suchtpotenzial dann natürlich FÜR das Spiel spricht. Stellen Sie sich dies mal in Bezug auf andere Suchtmittel vor: »Dieser Spielfilm wird präsentiert von ›Radebacher‹ – macht absolut süchtig«. Völlig undenkbar!
Internationale Wissenschaftler und Praktiker suchen nun seit einigen Jahren die Antwort auf die Frage, ob es denn überhaupt so etwas wie eine Mediensucht gibt. Die einen sagen, es gibt keine Mediensucht: Wenn Leute ein problematisches |149| Mediennutzungsverhalten entwickeln, dann ist bei diesen Personen eine Störung vorhanden, die sich nur anhand des Mediennutzungsverhaltens ausprägt.
Die anderen (und zwar mittlerweile die Mehrheit) sind der Meinung, dass Mediensucht (übrigens nicht nur bezogen auf Computer, sondern natürlich auch auf alle anderen Medien) ein eigenständiges Phänomen ist, das sicherlich – wie jede andere Sucht auch – Ursachen auch in der Person hat. Es muss aber nicht zwangsläufig eine klinische Auffälligkeit sein.
Studien haben gezeigt, dass Computersüchtige häufig auch eine depressive Erkrankung haben. Was davon Ursache und was Auswirkung ist, kann dabei nicht genau festgestellt werden. Schwierig ist für Kliniken und Beratungsstellen in jedem Fall die Abrechnung der Behandlung eines Mediensüchtigen bei den Krankenkassen, sofern keine Begleiterkrankung vorliegt, da Mediensucht aktuell noch nicht als Krankheit anerkannt ist. Formell heißt das, ein Mediensüchtiger kann nur dann Hilfe bekommen, wenn er eine andere Störung hat oder ihm eine andere Störung diagnostiziert wird, die auch abrechenbar ist. Dies verzerrt dann natürlich wiederum die Statistiken.
Weltweit gibt es mittlerweile mehrere Todesfälle, die auf eine Mediensucht zurückgehen. Die meisten starben an Dehydrierung, Erschöpfung und Kreislaufkollaps. Bewegungsmangel, Fehlernährung, Sauerstoffmangel und Schlafmangel über Jahre hinweg: Versteht sich, dass das alles andere als gut ist für den Körper. Auch Morde und Selbstmorde sind in Bezug auf die Computersucht zu verzeichnen. Möglicherweise sensibilisiert das die Hersteller eines Tages, das Suchtpotenzial nicht mehr als Qualitätskriterium heranzuziehen.
|150| Suchtkriterien
Stichwort Diagnose: Die häufigsten Fragen, die ich von Eltern höre, sind: »Ab wann wird denn der Computerkonsum zum Problem?« und »Ist mein Kind schon süchtig?«. Leider ist eine Antwort darauf nicht so einfach, wie sich das manche Menschen wünschen würden: Bis zu zwei Stunden am Tag ist okay, ab zwei Stunden und einer Minute wird’s kritisch. Es gibt unterschiedliche Versuche zu definieren, wann tatsächlich ein problematisches Computernutzungsverhalten vorliegt. Hier die Einordnung, die der Fachverband Medienabhängigkeit erstellt hat (Näheres dazu unter www.fv-medienabhaengigkeit.de ):
Diagnostische Kriterien für Computerspielabhängigkeit
A) Zeitkriterium: Persistenz der Symptomatik
Die Symptomatik der Computerspielabhängigkeit muss über einen Zeitraum von mindestens
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