Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
wiedersehe.
Jetzt steht neben meinem Klappbett meine Schreibmaschine auf einem rostigen, weiß emaillierten Waschtisch. Darunter liegt meine Büchertasche. Ich nehme Daddys Taschentuch und wische mir die Stirn, presse gesalzenes Eis auf meine Handgelenke. Selbst hier auf der hinteren Veranda steigt das Avery-Bauholz-Thermometer von zweiunddreißig über fünfunddreißig auf satte siebenunddreißig Grad. Zum Glück kommt Stuart nie tagsüber, wenn die Hitze am schlimmsten ist.
Ich starre auf meine Schreibmaschine, habe nichts zu tun, nichts zu schreiben. Minnys Geschichten sind schon fertig getippt. Es ist ein elendes Gefühl. Vor zwei Wochen hat Aibileen gesagt, Yule May, Hillys Mädchen, würde uns vielleicht helfen, sie zeige jedes Mal mehr Interesse, wenn sie mit ihr spreche. Aber jetzt, wo Medgar Evers ermordet wurde und die Polizei Farbige festnimmt und niederknüppelt, ist das Mädchen sicher zu Tode verängstigt.
Vielleicht sollte ich zu Hilly rüberfahren und Yule May selbst fragen. Aber nein, Aibileen hat recht, ich würde ihr wohl nur noch mehr Angst machen und es endgültig verpatzen.
Unterm Haus gähnen die Hunde, winseln in der Hitze. Einer rafft sich zu einem halbherzigen Wuff auf, als Daddys Feldarbeiter, fünf Neger, auf einem Lastwagen vorfahren. Die Männer springen von der Pritsche, wirbeln beim Landen Staub auf. Sie bleiben erst einmal stehen, mit ausdruckslosen Gesichtern, wie betäubt. Der Vorarbeiter wischt sich mit einem roten Tuch über die schwarze Stirn, die Lippen, den Nacken. Es ist so gnadenlos heiß, ich weiß nicht, wie sie es aushalten, dort draußen in der Sonne zu braten.
Ein verirrter Windhauch bewegt die Seiten meines Life -Hefts. Von der Titelseite lächelt Audrey Hepburn mit gänzlich
schweißfreier Oberlippe. Ich hebe das Heft auf, blättere mich durch die verknitterten Seiten bis zu dem Artikel über das sowjetische Weltraum-Girl. Was direkt dahinter kommt, weiß ich schon. Auf der Rückseite ihres Gesichts ist ein Foto von Carl Roberts, einem farbigen Lehrer aus Pelahatchie, vierzig Meilen von hier. »Im April erklärte Carl Roberts Washingtoner Journalisten, was es heißt, ein Schwarzer in Mississippi zu sein. Er nannte den Gouverneur einen ›erbärmlichen Menschen mit der Moral einer Straßendirne‹. Man fand Roberts, mit einem Brandzeichen versehen, an einem Pekanbaum aufgeknüpft.«
Sie haben Carl Roberts getötet, weil er den Mund aufgemacht hat. Fürs Reden. Ich muss daran denken, wie leicht ich es mir vor drei Monaten vorgestellt habe, ein Dutzend Dienstmädchen dazu zu bringen, mit mir zu reden. Als hätten sie die ganze Zeit nur darauf gewartet, einer Weißen ihre Geschichten zu erzählen. Wie dumm ich doch war.
Als ich die Hitze keine Sekunde länger aushalten kann, flüchte ich mich auf das einzig kühle Plätzchen von ganz Longleaf. Ich drehe den Zündschlüssel, mache die Seitenfenster zu, ziehe mein Kleid über der Unterwäsche hoch und lasse die Zwei-Zonen-Klimaanlage mit voller Kraft auf mich einblasen. Als ich den Kopf zurücklehne, driftet die Welt im leisen Duft von Kältemittel und Cadillac-Leder davon. Ich höre einen Pick-up in der Einfahrt halten, mache aber die Augen nicht auf. Eine Sekunde später wird meine Beifahrertür geöffnet.
»Fühlt sich verdammt gut an hier drinnen.«
Ich ziehe mein Kleid blitzartig runter. »Was machst du denn hier?«
Stuart schließt die Wagentür, küsst mich flüchtig auf den Mund. »Ich habe nur eine Minute, muss runter an die Küste, zu einem Meeting.«
»Für wie lange?«
»Drei Tage. Um mit einem Mann von der Öl- und Gasbehörde zu reden. Ich wollte, ich hätte es früher gewusst.«
Er nimmt meine Hand, und ich lächle. Wir gehen jetzt immer zweimal die Woche miteinander aus, zwei Monate schon, das Horrordate nicht mitgerechnet. Wahrscheinlich finden andere Mädchen das kurz. Aber es ist das Längste, was mir je passiert ist, und im Moment fühlt es sich auch wie das Beste an.
»Willst du mitkommen?«, fragt er.
»Nach Biloxi? Jetzt?«
»Jetzt sofort«, sagt er und legt seine kühle Hand auf mein Bein. Wie immer zucke ich leicht zusammen. Ich schaue auf seine Hand, dann nach draußen, um sicherzugehen, dass Mutter uns nicht hinterherspioniert.
»Komm doch mit, hier ist es viel zu heiß. Ich wohne im Edgewater, direkt am Strand.«
Ich lache, und es fühlt sich gut an nach der ganzen ängstlichen Grübelei der letzten Wochen. »Du meinst, ins Edgewater … mit dir? In einem Zimmer?«
Er nickt.
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