Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
ihm auf der Veranda sitzen, meinen Kopf durchlüften, und dann wieder nach oben gehen und die Nacht durcharbeiten.
Stuart steigt aus seinem schlammbespritzten Pick-up. Er hat noch seinen Sonntagsschlips um, und ich versuche nicht darauf zu achten, wie gut er aussieht. Ich strecke meine Arme. Es ist absurd warm draußen, wenn man bedenkt, dass es nur noch zwei Wochen bis Weihnachten sind. Mutter sitzt im Schaukelstuhl auf der Veranda, in Wolldecken gehüllt.
»Hallo, Missus Phelan. Wie geht es Ihnen?«, fragt Stuart.
Mutter bedenkt ihn mit einem majestätischen Nicken. »Ganz gut. Danke der Nachfrage.« Ihr kühler Ton verblüfft mich. Sie wendet sich wieder ihrem DAR-Newsletter zu, und ich muss unwillkürlich lächeln. Mutter weiß, dass er in den letzten Tagen zweimal hier war, hat es bisher aber nur mit dem einen kurzen Satz angesprochen. Wann es wohl kommt?
»Hey«, sagt er leise zu mir, und wir setzen uns auf die unterste Verandastufe. Schweigend schauen wir zu, wie unser alter Kater Sherman mit peitschendem Schwanz um einen Baum schleicht, auf der Jagd nach irgendeiner Kreatur, die wir nicht sehen können.
Stuart legt mir die Hand auf die Schulter. »Ich bin nur kurz vorbeigekommen. Ich muss jetzt gleich nach Dallas, zu einem Treffen mit Ölleuten, und bin drei Tage weg«, erklärt er. »Das wollte ich dir nur sagen.«
»Okay«, erwidere ich achselzuckend, als wäre es mir egal.
»Also dann«, sagt er und steigt wieder in seinen Pick-up.
Als er weg ist, räuspert sich Mutter. Ich drehe mich nicht zu ihr um. Ich will nicht, dass sie die Enttäuschung auf meinem Gesicht sieht.
»Mach schon, Mutter«, murmle ich schließlich. »Sag, was du sagen willst.«
»Lass dich von ihm nicht unter Wert behandeln.«
Ich drehe mich um und beäuge sie misstrauisch, obwohl sie unter ihren Decken so zerbrechlich wirkt. Ein Narr, wer meine Mutter jemals unterschätzt.
»Wenn Stuart nicht merkt, zu was für einem intelligenten und netten Mädchen ich dich erzogen habe, kann er gleich wieder in die State Street verschwinden.« Sie schaut mit schmalen Augen auf die winterlichen Felder hinaus. »Ich mache mir, ehrlich gesagt, nicht viel aus Stuart. Er weiß nicht, was er an dir hat.«
Ich lasse mir Mutters Worte auf der Zunge zergehen wie ein süßes Bonbon. Zwinge mich dann aufzustehen, um zur Vordertür hinaufzugehen. Da ist noch so viel Arbeit und so hoffnungslos wenig Zeit.
»Danke, Mutter.« Ich küsse sie sanft auf die Wange und gehe ins Haus.
Ich bin erschöpft und gereizt. Die letzten achtundvierzig Stunden habe ich nur getippt. Ich fühle mich erschlagen von Details aus anderer Leute Leben. Meine Augen brennen vom Geruch der Farbbandflüssigkeit. Meine Finger sind von Papier zerschnitten. Wer hätte gedacht, dass Papier und Druckfarbe so tückisch sein können?
Jetzt sind es noch sechs Tage. Ich gehe zu Aibileen. Sie hat sich, sehr zu Elizabeths Ärger, einen Wochentag freigenommen. Es ist klar, dass sie weiß, was es heute zu besprechen gilt, noch ehe ich etwas gesagt habe. Sie lässt mich kurz in der Küche allein, kommt dann mit einem Umschlag wieder.
»Eh ich Ihnen das hier geb … sollt ich Ihnen wohl paar Sachen erklären. Damit Sie’s richtig verstehen.«
Ich nicke. Ich bin angespannt. Ich möchte den Umschlag aufreißen und es hinter mich bringen.
Aibileen rückt ihr Schreibheft auf dem Tisch gerade. Ich sehe zu, wie sie ihre beiden gelben Bleistifte sorgsam parallel
ausrichtet. »Ich hab Ihnen doch gesagt, dass Constantine eine Tochter gekriegt hat. Also, die hieß Lulabelle. Gott im Himmel, wie sie rauskam, war sie hell wie Schnee. Hat Haare gekriegt, so blass wie Heu. Nicht lockig wie Ihre. Glatt waren die.«
»So weiß war sie?«, frage ich. Daran habe ich immer wieder denken müssen, seit Aibileen mir damals in Elizabeths Küche von Constantines Kind erzählt hat. Ich stelle mir vor, wie es für Constantine gewesen sein muss, ein weißes Baby in den Armen zu halten und zu wissen, dass es ihres war.
Sie nickt. »Wie Lulabelle vier war, da hat Constantine …« Aibileen ändert ihre Sitzhaltung. »Sie hat sie rauf nach Chicago gebracht, in ein … Waisenhaus.«
»Waisenhaus? Heißt das … sie hat ihr Kind weggegeben?« So wie Constantine mich geliebt hat – wie muss sie dann erst ihr eigenes Kind geliebt haben?
Aibileen blickt mir ins Gesicht. In ihren Augen ist etwas, das ich bei ihr kaum je gesehen habe – Ärger, Abscheu. »Viele farbige Frauen müssen ihre Kinder weggeben, Miss
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