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Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help

Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help

Titel: Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathryn Stockett
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Zimmertür hinten am Flur geschlossen ist.
    Kurz darauf kommt Doktor Neal leise aus dem Zimmer und auf die Veranda heraus. Er stellt sich neben mich.
    »Ich habe ihr etwas gegen die Schmerzen gegeben«, sagt er plötzlich.
    »Die … Schmerzen? Hat Mama sich heute Vormittag wieder übergeben?«
    Der alte Doktor Neal sieht mich mit seinen trübblauen Augen an, so lange und so intensiv, als versuchte er, zu irgendeinem Schluss über mich zu gelangen. »Ihre Mutter hat Krebs, Eugenia. In der Magenschleimhaut.«
    Ich greife Halt suchend nach der Hauswand. Ich bin bestürzt, und doch – habe ich das nicht gewusst?
    »Sie wollte es Ihnen nicht sagen.« Er schüttelt den Kopf. »Aber da sie sich weigert, ins Krankenhaus zu gehen, müssen Sie es wissen. Diese nächsten paar Monate werden … ziemlich schwer sein.« Er zieht die Augenbrauen hoch. »Für ihre Mutter und für Sie.«

    »Paar Monate? Ist das … alles?« Ich schlage mir die Hand vor den Mund, höre mich aufstöhnen.
    »Vielleicht etwas mehr, vielleicht auch weniger, meine Liebe. « Er schüttelt den Kopf. »Aber wie ich Ihre Mutter kenne« – er schaut ins Haus –, »wird sie dagegen ankämpfen bis zum Letzten.«
    Ich stehe wie betäubt da, unfähig, etwas zu sagen.
    »Sie können mich jederzeit anrufen, Eugenia. In der Praxis oder zu Hause.«
    Ich gehe hinein und nach hinten in Mutters Zimmer. Daddy hockt auf der kleinen Bank neben dem Bett und starrt ins Leere. Mutter sitzt aufrecht da. Sie verdreht die Augen, als sie mich sieht.
    »Tja, jetzt hat er’s dir wohl erzählt«, sagt sie.
    Tränen tropfen mir vom Kinn. Ich nehme ihre Hände.
    »Wie lange weißt du’s schon?«
    »Zwei Monate etwa.«
    »Oh, Mama.«
    »Jetzt lass das, Eugenia. Es ist nun mal nicht zu ändern.«
    »Aber was kann ich …? Ich kann doch nicht einfach hier herumsitzen und zusehen, wie du …« Ich kann es nicht mal aussprechen. Alle Wörter sind zu schrecklich.
    »Du wirst ganz sicher nicht hier herumsitzen. Carlton wird Jurist werden und du …« Sie droht mir mit dem Zeigefinger. »Glaub bloß nicht, du kannst dich gehenlassen, wenn ich nicht mehr bin. Sobald ich bis in die Küche laufen kann, werde ich Fanny Mae’s anrufen und für dich Friseurtermine bis ins Jahr 1975 machen.«
    Ich lasse mich neben Daddy auf die Sitzbank sinken, und er legt den Arm um mich. Ich lehne mich an ihn und heule.
     
    Der Weihnachtsbaum, den Jameso vor einer Woche aufgestellt hat, nadelt, sobald jemand das Fernsehzimmer betritt. Es sind noch sechs Tage bis Weihnachten, aber niemand hat daran
gedacht, Wasser in den Ständer zu gießen. Die wenigen Geschenke, die Mutter schon im Juli gekauft und eingepackt hat, liegen unterm Baum, eins für Daddy, das offensichtlich eine Sonntagskrawatte enthält, etwas Kleines, Quadratisches für Carlton und für mich etwas Schweres, Ziegelsteinförmiges – vermutlich eine neue Bibel. Jetzt, wo alle von Mutters Krebs wissen, ist es, als hätte sie die wenigen Fäden, die sie noch aufrecht gehalten haben, gekappt. Die Marionettenschnüre sind durchtrennt, und selbst ihr Kopf scheint haltlos auf seinem Stiel zu wackeln. Das Äußerste, was sie noch tun kann, ist aufzustehen und ins Bad zu gehen und ein paar Minuten am Tag auf der Veranda zu sitzen.
    Am Nachmittag bringe ich Mutter ihre Post, das neue Good Housekeeping, den Gemeinderundbrief, DAR-Informationen.
    »Wie geht’s?« Ich streiche ihr das Haar zurück, und sie schließt die Augen, als ob sie die Berührung genießt. Sie ist jetzt das Kind, und ich bin die Mutter.
    »Ganz gut.«
    Pascagoula kommt herein. Sie stellt ein Tablett mit Brühe auf den Tisch. Als sie wieder geht, schüttelt Mutter ganz schwach den Kopf und starrt auf die leere Türöffnung.
    »O nein«, sagt sie und verzieht das Gesicht. »Ich kann nichts essen.«
    »Du musst nichts essen, Mama. Das machen wir dann später.«
    »Es ist nicht dasselbe mit Pascagoula, was?«, fragt sie.
    »Nein«, sage ich. »Ist es nicht.« Das ist das erste Mal seit unserer schrecklichen Diskussion, dass sie Constantine – zumindest indirekt – erwähnt.
    »Es heißt, ein gutes Dienstmädchen sei wie wahre Liebe. Das findet man nur einmal im Leben.«
    Ich nicke, denke, dass ich das notieren und ins Buch aufnehmen müsste. Aber dazu ist es zu spät, wir haben es ja schon
losgeschickt. Ich kann nichts tun, niemand kann irgendetwas tun, außer zu warten.
     
    Heiligabend ist deprimierend und warm und regnerisch. Alle dreißig Minuten kommt Daddy aus Mutters Zimmer,

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