Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
schaut aus dem vorderen Fenster und fragt: »Ist er da?«, auch wenn ihm keiner zuhört. Mein Bruder Carlton kommt heute Abend von der LSU, und wir werden beide froh sein, ihn zu sehen. Den ganzen Tag hat Mutter erbrochen und gewürgt. Sie kann kaum die Augen offen halten, aber schlafen kann sie auch nicht.
»Charlotte, Sie gehören ins Krankenhaus«, hat Doktor Neal heute Nachmittag gesagt. Ich weiß nicht, wie oft er das in der letzten Woche gesagt hat. »Lassen Sie mich wenigstens die Schwester herschicken, damit sie hier bei Ihnen bleibt.«
»Charles Neal«, sagte Mutter, ohne auch nur den Kopf zu heben. »Ich verbringe meine letzten Tage nicht in einer Klinik, und ich werde auch mein Haus nicht in eine verwandeln.«
Doktor Neal seufzte nur, gab Daddy noch ein Medikament, eine neue Sorte, und erklärte ihm, wie er es ihr verabreichen solle.
»Aber hilft das auch?«, hörte ich Daddy draußen auf dem Flur flüstern. »Kann es davon besser werden?«
Doktor Neal legte Daddy die Hand auf die Schulter. »Nein, Carlton.«
Um sechs Uhr abends fährt Carlton endlich draußen vor, kommt ins Haus.
»Hey, Skeeter.« Er umarmt mich. Er ist zerknittert von der Autofahrt, sieht aber gut aus in seinem Zopfmuster-Collegepullover. Die frische Luft an ihm riecht gut. Es ist schön, noch jemanden hier zu haben. »Himmel, warum ist es in diesem Haus so heiß?«
»Sie friert«, sage ich leise, »die ganze Zeit.«
Ich gehe mit ihm nach hinten. Als Mutter ihn sieht, setzt sie
sich auf und streckt die dünnen Arme aus. »Oh, Carlton«, sagt sie, »du bist da.«
Carlton bleibt jäh stehen. Dann beugt er sich hinab und umarmt sie ganz behutsam. Er blickt zu mir zurück, und ich sehe den Schock auf seinem Gesicht. Ich wende mich ab. Ich halte mir den Mund zu, um nicht zu schreien, weil ich weiß, dass ich nicht wieder aufhören könnte. Carltons Blick sagt mir mehr, als ich wissen möchte.
Als Stuart am Weihnachtstag vorbeikommt, hindere ich ihn nicht, als er mich küssen will. Aber ich sage: »Ich lass dich nur, weil meine Mutter im Sterben liegt.«
»Eugenia«, höre ich Mutter rufen. Es ist Silvester, und ich bin in der Küche, mir Tee holen. Weihnachten ist vorbei, und Jameso hat heute Morgen den Baum nach draußen gebracht. Noch immer liegen überall im Haus Nadeln herum, aber ich habe es geschafft, den Weihnachtsschmuck wegzuräumen und wieder im Schrank zu verstauen. Es war aufwändig und frustrierend, jedes einzelne Stück so einzuwickeln, wie Mutter es möchte, damit alles für nächstes Jahr parat ist. Ich verbiete mir, den Sinn dieses Tuns in Frage zu stellen.
Ich habe nichts von Missus Stein gehört und weiß nicht einmal, ob die Sendung rechtzeitig angekommen ist. Gestern Abend habe ich es nicht mehr ausgehalten und Aibileen angerufen, ihr erzählt, dass ich noch nichts gehört habe, einfach nur, um mit jemandem darüber zu reden.
»Mir fallen andauernd Sachen ein, die noch reinmüssten«, jammert Aibileen. »Ich muss mir immer wieder sagen, dass wir’s ja schon abgeschickt haben.«
»Ich auch«, sage ich. »Ich rufe Sie an, sobald ich etwas höre.«
Ich gehe nach hinten. Mutter ist mit Kissen hochgestützt. Im Sitzen, haben wir gelernt, hilft die Schwerkraft gegen das Erbrechen. Die weiße Emailschüssel steht neben ihr.
»Hey, Mama«, sage ich. »Was möchtest du?«
»Eugenia, du kannst nicht in dieser Hose zur Silvesterparty bei den Holbrooks gehen.« Wenn Mutter blinzelt, bleiben ihre Augen immer einen Moment zu lange geschlossen. Sie ist erschöpft, ein Skelett in einem weißen Nachthemd mit absurden Schleifchen und gestärkter Spitze. Ihr Hals schwimmt im Halsausschnitt wie der eines Siebenunddreißig-Kilo-Schwans. Sie kann nichts essen, außer durch einen Strohhalm. Ihr Geruchssinn ist ihr völlig abhandengekommen. Und doch wittert sie von einem anderen Raum aus, wenn meine Kleidung zu wünschen übrig lässt.
»Die Party ist abgesagt, Mama.« Vielleicht erinnert sie sich an Hillys Feier letztes Jahr. Soweit mir Stuart erzählt hat, sind alle Silvesterpartys wegen der Ermordung des Präsidenten abgesagt worden. Wobei ich sowieso nicht eingeladen wäre. Heute Abend kommt Stuart, um mit mir Dick Clark im Fernsehen zu schauen.
Mutter legt ihre winzige, magere Hand auf meine. Die Gelenke zeichnen sich durch die Haut ab. Mutters jetzige Kleidergröße hatte ich mit elf.
Sie sieht mich fest an. »Ich finde, du solltest diese Hose jetzt gleich auf die Liste setzen.«
»Aber sie ist bequem und warm und
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