Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
nicht anmerken zu lassen. »Vielleicht könnten Sie ja noch ein paar andere fragen? Hören, ob sie Interesse hätten?« Ich bin mir sicher, dass Aibileen eher jemanden überreden kann als ich.
Aibileen nickt. »Gibt schon noch welche, die ich fragen kann. Aber was meinen Sie, wie lang’s wohl dauert, bis diese Lady sagt, ob’s ihr gefällt?«
Ich zucke die Achseln. »Ich weiß nicht. Wenn wir es nächste Woche abschicken, dürften wir wohl bis Mitte Februar etwas von ihr gehört haben. Aber genau kann ich es nicht sagen.«
Aibileen presst die Lippen aufeinander, blickt auf ihr Schreibheft. Ich bemerke etwas an ihr, was ich bisher gar nicht wahrgenommen habe. Gespanntheit, ein Aufblitzen von Erregung. Ich war so mit mir selbst beschäftigt, dass ich gar nicht auf die Idee gekommen bin, Aibileen könnte es genauso aufregend finden wie ich, dass eine Verlagslektorin in New York
ihre Geschichte liest. Ich lächle und atme tief durch: Meine Hoffnung wächst.
Bei unserer fünften Arbeitssitzung beschreibt Aibileen den Tag, an dem Treelore ums Leben kam. Sie liest vor, wie sein zermalmter Körper von dem weißen Vorarbeiter auf die Pritsche eines Pick-ups geworfen wurde. »Und dann haben sie ihn am Weißenkrankenhaus abgeladen. Das hat mir die Schwester erzählt, die da grad draußen stand. Sie haben ihn von der Pritsche gewälzt, und dann sind die Weißen weggefahren.« Aibileen weint nicht, sie lässt einfach nur eine ganze Weile vergehen, in der ich auf die Schreibmaschine starre und sie auf die abgetretenen Linoleumfliesen.
Bei unserer sechsten Sitzung sagt Aibileen: »Bei Miss Leefolt hab ich 1960 angefangen. Wie Mae Mobley zwei Wochen alt war.« Und ich habe das Gefühl, ein äußeres Tor zu ihrem Vertrauen passiert zu haben. Sie schildert den Bau der Toilette draußen in der Garage, gesteht, dass sie inzwischen froh darüber ist. Es ist leichter, als mit anzuhören, wie Hilly sich darüber beklagt, die Toilette mit einem Dienstmädchen teilen zu müssen. Aibileen erklärt, ich hätte einmal gesagt, Farbige gingen zu viel in die Kirche. Das hat sie getroffen. Ich zucke zusammen, frage mich, was ich noch alles gesagt habe, ohne auf die Idee zu kommen, die Haushaltshilfe könnte zuhören oder es sich gar zu Herzen nehmen.
Eines Abends sagt sie: »Ich hab mir gedacht . . .« Aber dann verstummt sie.
Ich blicke von der Schreibmaschine auf, warte. Aibileen musste sich auf ihr Kleid erbrechen, um mich zu lehren, ihr Zeit zu lassen.
»Ich hab mir gedacht, ich sollt mal paar Sachen lesen. Hilft mir vielleicht beim Schreiben.«
»Gehen Sie in die Bibliothek in der State Street. Die haben einen ganzen Raum mit Südstaatenautoren. Faulkner, Eudora Welty …«
Aibileen hüstelt. »In die Bibliothek dürfen keine Farbigen.«
Ich sitze da wie ein begossener Pudel. »Wie konnte ich das vergessen!« Die Farbigenbibliothek muss ziemlich schlecht sein. Vor ein paar Jahren gab es ein Sit-in in der Weißenbibliothek, über das sogar in der Presse berichtet wurde. Als eine größere Menge von Farbigen zum Prozess gegen die Sit-in-Teilnehmer erschien, trat die Polizei einfach nur ein paar Schritte zurück und ließ die Schäferhunde los. Ich schaue Aibileen an, und mir wird wieder bewusst, welches Risiko sie eingeht, indem sie mit mir redet. »Ich besorge Ihnen die Bücher gern«, sage ich.
Aibileen verschwindet eilends in ihr Schlafzimmer und kommt mit einer Liste wieder. »Ich kreuz am besten die an, die ich zuerst will. Für Wer die Nachtigall stört steh ich jetzt in der Carver-Bibliothek schon drei Monate auf der Warteliste. Mal gucken …«
Ich sehe zu, wie sie die Bücher ankreuzt: Die Seelen der Schwarzen von W. E. B. Du Bois, Gedichte von Emily Dickinson (egal welche), Huckleberry Finn.
»Paar davon hab ich in der Schule angefangen, konnt sie aber nimmer fertig lesen.« Sie hält inne, überlegt, was ihr das Nächstwichtigste ist.
»Sie wollen ein Buch von … Sigmund Freud?«
»Oh, über die verrückten Leute.« Sie nickt. »Ich les gern Sachen drüber, wie der Kopf funktioniert. Haben Sie schon mal geträumt, Sie fallen in einen See? Er sagt, der Traum geht darum, wie man selbst geboren wird. Miss Frances, bei der ich 1957 gearbeitet hab, die hat die Bücher alle gehabt.«
Beim zwölften Titel muss ich es einfach wissen. »Aibileen, wie lange wollten Sie mich das schon fragen? Ob ich diese Bücher für Sie ausleihen kann?«
»Schon eine Weile.« Sie zuckt die Achseln. »Hab mich wohl nicht getraut, was zu
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