Gute Geister - Stockett, K: Gute Geister - The Help
sagen.«
»Haben Sie … gedacht, ich würde nein sagen?«
»Das sind halt Weißenregeln. Ich weiß ja nicht, welche Sie befolgen und welche nicht.«
Wir sehen uns einen Moment an. »Ich habe die Regeln satt«, sage ich.
Aibileen lacht leise und schaut aus dem Fenster. Mir wird klar, wie hohl dieses Geständnis in ihren Ohren klingen muss.
Vier Tage sitze ich in meinem Zimmer an der Schreibmaschine. Meine zwanzig ursprünglichen Mitschriftseiten, voller Streichungen und rot umkringelter Korrekturen, werden einunddreißig Seiten auf dickem, weißem Strathmore-Papier. Ich schreibe eine Kurzbiographie von Sarah Ross – der Name, den sich Aibileen ausgesucht hat, nach ihrer vor Jahren verstorbenen Grundschullehrerin. Ich gebe ihr Alter an, den Broterwerb ihrer Eltern. Dann kommen Aibileens Geschichten, so wie sie sie geschrieben hat, schlicht und geradeheraus.
Am dritten Tag ruft Mutter die Treppe hinauf, was ich denn bloß den ganzen Tag dort oben mache, und ich rufe hinunter: Ich tippe nur Notizen zu meinem Bibelstudium ab. Schreibe alles auf, was ich an Jesus liebe. Nach dem Abendessen höre ich sie in der Küche zu Daddy sagen: »Sie führt doch irgendwas im Schilde.« Ich trage der Glaubhaftigkeit wegen meine kleine weiße Taufbibel mit mir herum.
Ich lese es wieder und wieder durch, bringe dann abends Aibileen die Seiten, und sie liest sie ebenfalls. Sie nickt lächelnd bei den netten Passagen, wo alle wunderbar miteinander auskommen, aber bei den schlimmen Stellen nimmt sie ihre schwarze Lesebrille ab und sagt: »Ich weiß, ich hab’s geschrieben, aber wollen Sie das wirklich reinnehmen, das mit …«
Und ich sage: »Ja, das will ich.« Aber ich staune selbst, was alles in diesen Geschichten steht, über separate Farbigenkühlschränke im Haus des Gouverneurs, über weiße Frauen, die wegen einer Falte in einer Serviette Wutanfälle bekommen wie Zweijährige, über weiße Kleinkinder, die Aibileen »Mama« nennen.
Um drei Uhr morgens, als auf den nunmehr siebenundzwanzig Seiten nur noch zwei überpinselte und übertippte Stellen sind, stecke ich das Manuskript in einen gelben Umschlag. Gestern habe ich ein Ferngespräch mit Missus Steins Büro geführt. Ihre Sekretärin Ruth sagte, sie sei in einer Besprechung, und versprach, ihr auszurichten, dass das Interview unterwegs sei. Heute kam kein Rückruf von Missus Stein.
Ich drücke den Umschlag an mein Herz und weine fast vor Erschöpfung und Zweifel. Am nächsten Morgen gebe ich ihn im Postamt an der Canton auf. Als ich nach Hause komme, lege ich mich auf mein altes Eisenbett und frage mich ängstlich, was passieren wird . . . wenn es ihr gefällt. Was ist, wenn uns Elizabeth auf die Schliche kommt oder Hilly? Wenn Aibileen gefeuert wird oder im Gefängnis landet? Ich habe das Gefühl, einen tiefen, spiralförmigen Schacht hinabzustürzen. Gott, würden sie auf sie einschlagen wie auf den schwarzen Jungen, der die Weißentoilette benutzt hat? Was tue ich? Warum setze ich sie einem solchen Risiko aus?
Ich schlafe ein. Die nächsten fünfzehn Stunden verbringe ich mit Alpträumen.
Es ist Viertel nach eins, und Hilly, Elizabeth und ich sitzen an Elizabeths Esszimmertisch und warten auf Lou Anne. Ich habe heute noch nichts zu mir genommen außer Mutters Tee gegen sexuelle Verirrungen. Mir ist flau, und ich bin nervös. Mein Fuß wippt unterm Tisch. So geht es mir jetzt schon zehn Tage, seit ich Aibileens Geschichten an Elaine Stein geschickt habe. Ich habe einmal angerufen, und Ruth sagte, sie habe ihr die Sendung vor vier Tagen gegeben, aber gehört habe ich immer noch nichts.
»Ist das nicht der Gipfel der Unhöflichkeit?« Hilly schaut auf die Uhr und macht ein finsteres Gesicht. Lou Anne kommt schon das zweite Mal zu spät. Lange wird sie sich nicht in unserer Bridgegruppe halten, nicht unter Hillys Regie.
Aibileen kommt ins Esszimmer, und ich gebe mir alle Mühe, sie nicht zu lange anzuschauen. Ich habe Angst, dass Hilly oder Elizabeth mir etwas anmerken könnten.
»Hör auf mit der Wipperei, Skeeter. Du bringst den ganzen Tisch zum Wackeln«, sagt Hilly.
Aibileen geht in ihrer weißen Uniform ruhig im Zimmer umher. Ihr ist nicht das Geringste anzumerken. Sie ist wohl geübt darin, ihre Gefühle zu verbergen.
Hilly mischt und gibt Karten für eine Übungsrunde Rommee. Ich versuche, mich aufs Spiel zu konzentrieren, aber mir schießen immer wieder Details durch den Kopf, sobald ich Elizabeth ansehe. Wie Mae Mobley die Toilette in der
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