Gute Leute: Roman (German Edition)
Sein Oberkörper verströmte Talggeruch und seine Hose rutschte nach oben. Thomas warf einen Blick auf seine Socken – dreimal umgeschlagen –, die unter den Hosenaufschlägen hervorschauten. Niemals würde er verstehen, warum Menschen zu kurze Hosen trugen. Eine Hose hatte bis auf die Schuhe zu reichen, auch wenn man saß. Kresling hatte ihn genau vor dem Dürer Platz nehmen lassen, über den sich jetzt ein dunkler Schleier zu legen schien.
»Auf der letzten Liste, die wir von den Amerikanern bekommen haben«, brummte Kresling schließlich, setzte sich eine Lesebrille mit sehr kleinen Gläsern auf und blätterte in seinen Papieren, »gibt es einen Wjatscheslaw Buschikowsky. Er ist dort als Mitarbeiter der amerikanischen Milton-Group angegeben. Wohlthat hat mir geschrieben, Sie hätten dort viele Jahre gearbeitet. Bei Milton behaupten sie, er sei noch immer ein Mitarbeiter des Unternehmens.« Kresling wirkte zerstreut, die Beschäftigung mit einem derart trivialen Thema schien ihn zu empören.
»Und wie beabsichtigen Sie, in dieser Sache zu verfahren?«, fragte Thomas vorsichtig. Selbstverständlich verbot es sich für ihn, persönliches Interesse an Bischas Schicksal zu äußern.
»Haben Sie diesen Mann getroffen, seit Sie in Warschau sind?«
»Nein«, antwortete Thomas, »die Verbindung zwischen uns war rein geschäftlicher Natur und wurde bereits Anfang letzten Jahres abgebrochen, als das Unternehmen seine Aktivitäten in Deutschland einstellte.«
»Ich verstehe«, murmelte Kresling und legte seine Brille auf den Tisch. »Mögen Sie Dürer?«, fragte er plötzlich. »Das ist ein Geschenk von einem treuen Freund.«
»Ein sehr bedeutender Künstler«, ihm schien, dass seine Stimme gekünstelt klang. »Ich persönlich bevorzuge seine Porträts.«
»Ja, die sind auch schön«, bemerkte Kresling verstimmt. »Zurück zum Thema …«, er hüstelte leicht.
Welches Thema, überlegte Thomas, dieses ganze Gerede führte weg von seinem Ziel.
»Noch weiß ich es nicht, allein solche Menschen ausfindig zu machen, ist ein großes Problem, sie können in jedem Loch stecken, sind vielleicht schon tot, und auch Himmlers Leute bereiten uns reichlich Scherereien. Für den Moment wollen wir es bei ein paar Gesten des guten Willens belassen, ein bisschen Edelmut zeigen«, Kresling lächelte süffisant. »Diese Amerikaner von Milton, haben die großen Einfluss drüben?«
»Absolut«, erwiderte Thomas.
»Vielleicht habe ich meine Absicht nicht klar gemacht«, seine pechschwarzen Augen sondierten Thomas’ Gesicht auf der Suche nach einem bestimmten Ausdruck oder einer Regung. »Wir lassen uns die Hilfe für Flüchtlinge nur dann gewisse Anstrengung kosten, wenn deren Fürsprecher in Amerika wertvolle Freunde Deutschlands sein können.«
»Die Leute von Milton werden niemals unsere Freunde sein, egal zu welchen Gesten wir uns aufschwingen«, stellte Thomas fest.
»Professionell bis zum Ende, ohne Sentiment für Ihren ehemaligen Arbeitgeber«, schnarrte Kresling. »Sehen Sie, im Rahmen des ›Vierjahresplans‹ pflegen Reichsmarschall Göring und seine Leute, zu denen auch ich mich zählen darf, Kontakte zu amerikanischen Unternehmen, und ich freue mich sagen zu können, dass diese wirtschaftlichen Kontakte durchaus gut sind. Große amerikanische Unternehmen wie ›ITT‹, ›Standard Oil‹, ›General Motors‹, sie alle haben in Deutschland viele Millionen Dollar investiert, und sie alle wollen ihre Investitionen schützen. In den letzten Wochen haben wir bereits Ansuchen von einer sehr großen amerikanischen Bank, der ›Rockefeller-Chase‹, und auch von ›Morgan‹ und einer Reihe anderer amerikanischer Unternehmen erhalten bezüglich ihrer Geschäfte in Paris. Sie bitten darum, dass wir sie fair behandeln. Wir haben ihnen geantwortet: Deutschland verhält sich immer fair .« In Kreslings Stimme schwang ein öliger Ton von Selbstzufriedenheit mit. Der Mann liebte es, sich mit großen Themen zu befassen. »Schade nur, dass ihre Regierung uns gegenüber keine Fairness walten lässt.«
Thomas kamen allmählich Zweifel: War Kresling tatsächlich der richtige Mann, um mit seiner Hilfe den großen Sprung zu tun? Jetzt erschien ihm sein Gegenüber provinziell und schlafmützig und nicht gerade wie ein Mann der Tat.
»Und was unseren großen Plan betrifft«, Kresling breitete die Hände aus zum Zeichen, dass alles in der Hand höherer Mächte lag – in der Görings oder vielleicht gar der des lieben Gottes –, »ich
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