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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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heraufbeschwören können. Und überdies, wenn ich einem Kranken helfen kann, ist es meine Pflicht, es zu tun. Aber mein Hemd auszuziehen und es Ihnen zu geben, an Ihrer verrückten Intrige mitzuwirken – wie es die Genossin Weißberg tut –, mit einem deutschen Emissär, der mit Hilfe gefälschter Papiere und Betrügereien in die unter meiner Verantwortung stehenden Oblaste eingedrungen ist, das wäre eine Tat, die allem widerspräche, woran ich glaube.«
    Eine Flutwelle der Angst erschütterte sie: Es war vorbei. Er würde seine Meinung nicht ändern, ja, er würde sie aus der Planung der Parade entfernen, sie aus seinem Umfeld beseitigen. Jetzt müsste sie gegen einen Menschen kämpfen, der sie bisher großmütig und freundschaftlich behandelt hatte.
    »Also wirklich, Nikita Michailowitsch«, Heiselbergs Stimme zitterte leicht. »Sie reden wie ein Rot-Kreuz-Freiwilliger. Wir alle wissen doch um Ihre Vergangenheit.«
    »Ich bin der erste, meine Taten einzugestehen«, erwiderte Nikita Michailowitsch ernst. »Jede Nacht gehe ich mit mir ins Gericht, und nicht immer fällt das Urteil schmeichelhaft aus. Meine Stellung ermöglicht es mir, gewisse Entscheidungen zu treffen, oder genauer gesagt: Ich gehorche im allgemeinen der Partei. Alle meine Taten haben immer ein politisches Ziel verfolgt. Die Methoden mag man in Zweifel ziehen, aber den Taten selbst lag stets dieses Ziel zugrunde, dem ich verpflichtet bin. Indem ich Ihre Forderungen erfülle, würde ich mich nur selbst aus der Patsche ziehen, und dies auch nur, weil ich einem Nazibeamten traue, der sich mit einem Mal wie ein Kosmopolit gebärdet und zusammen mit einer jüdischen Russin ein Komplott gegen deren direkten Vorgesetzten ausheckt.«
    »Von Komplott kann keine Rede sein«, gab Heiselberg mit spöttischem Gurgeln zurück. »Es ist die richtige Entscheidung zum Wohle aller.«
    »Sie sind wirklich ein Kavalier«, rief Nikita Michailowitsch. »Schön zu sehen, wie Sie sich um die Frau sorgen, deren Ablösung in der Planungskommission der Parade Sie kürzlich gefordert haben.«
    »Das haben wir bereits erörtert«, verkündete Sascha rasch, »es gab Meinungsverschiedenheiten zwischen uns, die ausgeräumt werden konnten.«
    Wann hatte diese Kanaille Zeit gefunden, ihre Ablösung zu verlangen?
    Ein schwacher Lichtstreifen kroch ins Zimmer. Heiselberg lachte verlegen und wirkte jetzt wie ein beschämtes Kind. Sie lächelte ihm ermutigend zu, als wollte sie ihm bedeuten, dass die Angelegenheit nebensächlich sei und er sich auf das Wesentliche konzentrieren müsse. Nicht die Mitteilung, dass er sich bemüht hatte, sie loszuwerden, kränkte sie, sondern die Erkenntnis, dass er, anders als alle anderen Männer, ihrem Charme und ihrer Klugheit nicht erlegen war. Sie erinnerte sich plötzlich an etwas, was Kolja in der Steppe zu ihr gesagt hatte: »Nadka meint, dass sie dich beim NKWD wieder zu einem Wunderkind gemacht haben.« Jetzt ging ihr die Bedeutung dieser Worte auf. Er hätte auch sagen können: Emma Rykowa, ich und einige andere haben niemals ein Wunderkind in dir gesehen, weshalb du dir einen Ort gesucht hast, wo man dir dieses Gefühl gibt, uns aber hast du bei deinem kometenhaften Aufstieg ausgelöscht.
    »Nikita Michailowitsch«, sagte sie, »Sie verstehen Herrn Heiselberg nicht. Er ist der Mann, der das Modell des polnischen Menschen verfasst und hernach in allen mit dem Modell in Verbindung stehenden Fragen als Berater fungiert hat. Staatliche Organe haben sich bezüglich Deportationen und Verhaftungen, Massenexekutionen, Arbeitslagern, der Behandlung der Juden und anderem mehr an ihn gewandt, und er hat ihnen Ratschläge und Empfehlungen gegeben. Ich glaube, er sieht in der Parade eine noble Friedensgeste, vielleicht verspürt er auch eine Sehnsucht nach persönlicher Erlösung. Wie soll man wissen, was ein Mensch empfindet, der für die Misshandlung anderer Menschen verantwortlich zeichnet, zumal gute Taten bekanntlich kein Blut von den Händen waschen? Wer wüsste dies besser als ich. Sobald Sie etwas gegen mich unternehmen, bringen Sie die ganze Parade in Gefahr, dabei ziehen doch auch Sie es vor, dass wir uns um den Frieden bemühen und nicht um den Krieg.«
    Sie hoffte, Heiselberg habe die Befriedigung nicht bemerkt, die sie aus der Verunglimpfung seines Modells gezogen hatte. Fast tat es ihr schon leid, dass sie sich nicht näher über die Verbrechen ausgelassen hatte, die, verursacht durch sein Modell, verübt worden waren.
    »Gott steh mir

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