Gute Leute: Roman (German Edition)
Aufgabe für den ›Vierjahresplan‹ den Verkauf jüdischer Besitztümer leitet und mit der Entfernung der Juden aus der deutschen Volkswirtschaft betraut ist.«
»Und der Punkt wäre, Frau Günther?«, schnaubte Thomas ungehalten.
»Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber es tut sich einiges im Unternehmen. Wir beraten jetzt die Dresdner Bank in allem, was mit der Arisierung des jüdischen Bankhauses Bamberburg zusammenhängt«, verkündete die Günther mit feierlicher Stimme. »Auch die Deutsche Bank hat ein Angebot vorgelegt.«
»Das sind ernstzunehmende Konkurrenten«, sagte Thomas. Immer schon hatte er es bedauert, dass Milton mit der Dresdner Bank zusammenarbeitete und nicht mit der Deutschen Bank. »Die Damen und Herren der Deutschen Bank sind enge Freunde. Sie verfügen über exzellente Kontakte …«
»Noch hängt die Entscheidung maßgeblich vom Vorstand der Bamberburg Bank ab«, unterbrach ihn Frau Günther. »Die Regierung verlangt, dass die Bank in deutschen Besitz übergeht, und zwar schnell.«
Dank Jack Fisks Kontakten könnten wir den Juden aus dem Vorstand von Bamberburg und allen Angehörigen Einreisegenehmigungen für die Vereinigten Staaten beschaffen, sagte sich Thomas. Mailers Worte über den Charakter der Politik, die alles verschlinge, zeigten jetzt ihre wahre Bedeutung. Empörung erfüllte ihn: Wie konnten sie es wagen – dieses Triumvirat Fisk, Mailer und Günther –, den guten Ruf Miltons in Europa in Gefahr zu bringen, und noch dazu für die Dresdner Bank und ihre Raffsucht?
»Frau Günther, trotz Ihres begrenzten Wissens über das Weltgeschehen werden Sie gehört haben, dass die Dresdner Bank gleich nach dem Anschluss die große Bankenfusion in Österreich forciert hat und nun auch in der Tschechoslowakei tätig ist. Ein jüdisches Bankhaus ist nur ein Trinkgeld für die.«
»Aber ich weiß aus erster Hand, dass dieses Geschäft sie sehr wohl interessiert«, gab Frau Günther zurück, offenbar unbeeindruckt von seiner letzten Bemerkung. »Bei der Dresdner Bank wollte man zunächst, dass wir eine Marktanalyse für das jüdische Bankhaus erstellen. Zu unserer eigenen Überraschung fanden wir heraus, dass die Bank in diesem Jahr durchaus profitabel war: Vielleicht ja deshalb, weil Bamberburg saftige Gebühren von allen jüdischen Unternehmen eingestrichen hat, die mit seiner Hilfe Besitz ins Ausland transferiert haben.«
»Ich kannte mal jemanden aus der Geschäftsleitung von Bamberburg«, sagte Thomas.
»Einen Mischling namens Blum«, sagte die Günther spitz. »Diese Information ist uns bereits zur Kenntnis gelangt.«
»Und, o Wunder, schon bin ich zu dem Treffen eingeladen«, lachte Thomas. »Kopf hoch, Frau Günther, wir werden dafür sorgen, dass Sie im Bilde bleiben. Niemand versteht es wie Sie, sich um die Details zu kümmern.«
Wortlos drehte sie sich um und rauschte davon. Erneut hatte er ihr bewiesen, dass jeder Affront gegen ihn in einem Desaster endete. Carlson Mailer pflegte ihn mit unverhohlenem Vergnügen an den Deutungsversuchen teilhaben zu lassen, die Frau Günther seiner Person angedeihen ließ: »Jede seiner Handlungen findet ihre Berechtigung im Rahmen der Heiselbergschen Ethik, die unendlich dehnbar ist. Thomas Heiselberg selbst ist nicht mehr als ein Sammler von Eigenschaften, Gesten, Ideen und Empfindungen, die er überall aufliest. Ein Meister in der Kunst, etwas von anderen zu übernehmen und es sich anzueignen. In der Dunkelkammer seiner leeren Seele entwickelt er die Negative, die er anderen gestohlen hat, zu entzückenden Bildern. Der Grad seiner Identifikation mit dem Gestohlenen ist so groß, dass er nach kurzer Zeit glaubt, damit geboren zu sein.«
Thomas ließ kaltes Wasser über sein Gesicht laufen und ordnete sein Haar. Die dunklen Ringe unter den Augen waren tiefer geworden. Morgen würde er einen Arzt aufsuchen. Er warf einen Blick auf die Uhr: schon nach elf. Während er in den Saal zurückkehrte, schwor er sich, jeden abzuwehren, der sich zwischen ihn und sein Treffen an der Bar drängen würde. Doch in den vergangenen Minuten hatte sich der Saal mit Feiernden gefüllt. Von der Bühne immer lauter werdende Musik. Ein Trommelwirbel, danach eine Stimme – die von Fritzsche? –, die irgendeinen Auftritt ankündigte, worauf sich ein Strom von Menschen in Richtung Bühne drängte. Thomas wurde mitgerissen und meinte, den Quadratschädel von Christophe aus der französischen Niederlassung dicht neben Fisks Gesicht zu sehen. Dieser wurde
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