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Gute Leute: Roman (German Edition)

Gute Leute: Roman (German Edition)

Titel: Gute Leute: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nir Baram
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Vater, und die Ader an seinem Hals pochte: Sie schaute gern auf diese Ader und stellte sich vor, sie spräche zu ihr. Sie war wirklich überzeugt, ihre Aufgabe sei simpel und leicht, und es könne nicht angehen, dass er sich ausgerechnet für das Selbstverständliche begeisterte. Stjopa erfasste sogleich ihre Meinung und rief vergnügt: »Dass in Ihren Augen alles so einfach erscheint, das genau ist Ihre Gabe!«
    Im Falle von Emma Rykowa war es sogar noch leichter: Kratze an der Gestalt, die sie für sich selbst ersonnen haben – in Emmas Fall die einer aufsässigen und mutigen Dichterin, die prinzipiell zu jedem Opfer bereit ist –, und schon ist die Festung sturmreif.
    Alexandra fragte sich zuweilen, ob die Geschichten, die sie Stjopa über die Verhöre erzählte, ihren zukünftigen Henkern halfen, das verborgene Flüstern in einen Text zu überführen, dessen Entschlüsselung am Ende noch ihren eigenen Untergang bedeuten würde.
    Maxim Podolski und andere Toren, Männer wie Frauen, taten sich schwer, ihren schwindelerregenden Aufstieg in der Abteilung 2 nachzuvollziehen: Manche behaupteten, zumindest wenn man Maxim Glauben schenkte, sie habe größeren Einfluss auf ihren Vorgesetzten als Resnikow. Und zwar weil Stjopa die Gesellschaft einer schönen jungen Frau aus jener abscheulichen »Intelligenzia« insgeheim genieße. Doch auch wenn etwas Wahres daran war, hätte er sich damit begnügen können, dass sie ihre offizielle Aufgabe als Stenotypistin erfüllte. Nein, der einzige Grund, warum er sie protegierte, war die Wertschätzung, die er für ihre Begabung hegte. In einer bestimmten Phase bestand Stjopa darauf, dass sie, zumindest als Beraterin, bei jedem Geständnis, für das seine Abteilung verantwortlich war, hinzugezogen wurde. Wenn Resnikow in seinem Büro erschien und mit einem Geständnis winkte, das er aus einem Beschuldigten herausgeholt hatte, fragte Stjopa umgehend, ob die Genossin Weißberg es schon gelesen habe.
    »Also dann bekomme ich jetzt Befehle von einem Mädel, und jeder Mensch, den sie irgendwann gekannt hat, ist ein Volksfeind gewesen?«, hatte der aufs höchste erregte Resnikow geblafft.
    Sie stand in ihrem Zimmer und hielt den Aktenordner mit dem Protokoll der Vernehmung Wladimir Muraschowskis in den Händen. Die eisige Berührung der Aktendeckel nach einer Nacht in dem ungeheizten Büro war ihr nicht unbekannt. Offenbar durfte sie auf kein deutlicheres Zeichen von Wertschätzung hoffen als das »Gute Arbeit, Genossin Weißberg« am Ende des Tages. Das war die Bedingung der Organisation: keine Nostalgie für Erfolge der Vergangenheit, keine alten Freundschaften, angerechtet wird nur, was man zuletzt geleistet hat.
    Sie eilte in den Vernehmungsraum, damit kein Verdacht aufkam, sie mache ihre Arbeit nicht ordentlich. Sollte tatsächlich etwas in ihr beschädigt sein? Und vielleicht hatte Stepan Kristoporowitsch ja recht, wenn er sagte: »Wir alle kämpfen, Weißberg, noch sind wir nicht erlöst, wir haben alle eine negative und degenerierte Seite, die uns quält. Erinnern Sie sich an die wundervollen Zeilen von Majakowski: ›Mich selbst ich reinige, um zu sein wie Lenin / damit fließen ich kann / mit der Revolution‹?«
    Ein Bild trat aus ihrer Erinnerung hervor: Emma und Nadja stehen im Salon und deklamieren, Zeile für Zeile, dieses Gedicht, und Brodski lacht und sagt: »Es wäre interessant herauszufinden, wer dieser fahrende Gaukler ist, der sich da in den letzten Jahren als Majakowski verkleidet.«
    Und Nadjeschda jubelt: »Entsinnst du dich an die vortreffliche Bemerkung des Präfekten G.? ›Ein Narr ist er gerade nicht, aber ein Dichter, und als solcher meiner Meinung nach von einem Narren nicht gar so verschieden‹ …«
    Ihre Kehle war trocken. Alle ihre Erinnerungen waren besudelt. Was hatte Maxim Podolski in jener letzten Nacht in der Wohnung ihrer Kindheit zu ihr gesagt? »Deine Geschichte ist die dunkle Seite der Partei, die perfekte Inversion, im Islam würde man euch Mahound nennen. Du musst neu geboren werden, andernfalls wirst du das Ende dieses Jahres nicht erleben.«
    Unter den Mitgliedern der Leningrader Gruppe war Ossip Lewajew der kläglichste von allen. Mit blutunterlaufenen Augen saß er im Vernehmungsraum, das Gesicht von gelblichen Flecken übersät, auf der Stirn zwei sich kreuzende diagonale Einschnitte. Der Mann trägt ein Kreuz auf der Stirn, lachte sie bei sich, kann ein solcher Mensch unschuldig sein?
    Sogleich beklagte er sich, er habe

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