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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Higgins
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verborgene heldenhafte Seite an Joe gab, war an Sams Qualitäten absolut nichts Geheimnisvolles – die waren einfach da, immer und für jeden sicht bar.
    „So läuft das bei Untreue nicht“, fuhr ich Joe an, doch als ich seine verwirrte Miene bemerkte, gab ich es gleich wieder auf. Außerdem waren wir bei der Schule angekommen, deshalb konnten wir diese Unterhaltung ohnehin nicht weiterführen. Als wir auf dem Parkplatz ausstiegen, trudelten die Kids bereits ein, die Mädchen schön wie exotische Vögel in ihren bunten Kleidern, die Jungen liebenswert unbeholfen in ihren Anzügen.
    Joe nahm meinen Arm und führte mich leise pfeifend zum Eingang. Wieder einmal hatte er überhaupt keine Ahnung, wie ich mich fühlte. Ich biss die Zähne zusammen und versuchte, meine negativen Gedanken zu verdrängen. Er kann nichts für seine Wirkung auf Frauen, sagte ich mir. Aber es war nicht nur seine Wirkung, es war auch sein Verhalten.
    „Bist du bereit, meine Schöne?“ Joe strahlte mich an und hielt die Tür auf.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln und nahm seine Hand. Niemand ist vollkommen, sagte ich mir. Er auch nicht.
    Die Turnhalle war mit Luftschlangen und Ballons und bunten blinkenden Lichterketten geschmückt. In der Mitte der Halle war das Modell des Leuchtturms aufgebaut, fast drei Meter hoch und mit einem echten Licht, das sich oben drehte.
    „Sieh nur!“, rief ich und war so begeistert, dass ich meinen Ärger vergaß.
    „Ich sage es nur ungern“, meinte Joe, „aber den haben sie hier jedes Mal.“
    „Oh.“ Mein Lächeln erstarb.
    Wir schlenderten umher, winkten den anderen Aufsichtspersonen und Jugendlichen zu, die wir kannten. Unsere Aufgaben waren sehr vage formuliert: Ein Auge auf Alkohol und Drogen haben und auch auf Pärchen, die ein bisschen zu intim zu werden drohten. Solche Dinge. Mit anderen Worten, wir sollten die Erwachsenen spielen.
    Mein Neffe und Sarah kamen zu uns. „Hallo, ihr zwei“, begrüßte ich sie. „Sarah, wow! Du siehst wunderschön aus.“
    „Sie aber auch“, erwiderte sie schüchtern. „Hallo, Mr Carpenter.“
    „Hallo, Danny“, wandte ich mich an meinen Neffen und umarmte ihn. „Du bist ein wahnsinnig attraktiver Bursche geworden, mein Kleiner“, flüsterte ich ihm ins Ohr.
    „Danke, dass du das nur flüsterst“, entgegnete er grinsend. „Hey, Joe.“
    „Hey, Danny“, sagte Joe freundschaftlich. „Amüsierst du dich schon?“
    „Na klar.“
    „Dann schiebt ab, ihr braucht nicht mit uns zusammen zu sein.“ Ich scheuchte sie weg, noch immer ganz gerührt und begeistert vom Aussehen meines Neffen. Ich hoffte, dass Sam ihn und Sarah zu sehen bekommen hatte, bevor die beiden aufgebrochen waren. Und hoffentlich hatte er ein Foto für mich gemacht.
    „Sie hat mich Mr Carpenter genannt“, meinte Joe und deutete auf Sarah.
    „Na ja, du bist fast doppelt so alt wie sie. Sind wir beide.“
    „Mann, da fühlt man sich wie ein Greis.“
    „Dreißig ist nicht alt, Joe.“
    „Wahrscheinlich nicht.“ Er seufzte. „Und was ist, tanzt du mit mir?“
    Ich zögerte. „Wollen wir nicht noch ein wenig warten, bis mehr Leute tanzen? Von den anderen Aufsichtspersonen ist auch noch keiner auf der Tanzfläche.“
    „Einverstanden“, gab Joe nach, sah aber nun schlecht gelaunt aus. „Ich bin gleich wieder da, ja?“
    Ich schaute Joe hinterher, der um die Tanzfläche herum zum Ausgang ging. Er mochte doppelt so alt sein wie die meisten Mädchen hier, aber das hinderte sie nicht daran, ihm verstohlene Blicke zuzuwerfen. Ja, ich war eindeutig mit dem Ballkönig zusammen. Ein schon älterer König des Abschlussballs zwar, aber ein König.
    Aus irgendeinem Grund verspürte ich heute Abend nicht dieses aufregende Glücksgefühl, das ich sonst in Joes Gegenwart empfand, und die innere Stimme, die Joe sonst immer verteidigte, war auch leiser geworden. Es fiel mir schwer, mein Bild von Joe mit dem Mann in Einklang zu bringen, der er tatsächlich war.
    Auf einmal war es mir unangenehm, allein hier unter all den jungen Leuten zu stehen. Vielleicht sollte ich mal die Damentoilette aufsuchen und meinen BH zurechtzupfen. Das konnte nicht schaden. Also machte ich mich auf den Weg und achtete darauf, nicht mit meinen hochhackigen Pumps umzuknicken und mir den Knöchel zu verstauchen. Während ich dahinglitt, entdeckte ich eine vertraute Gestalt … groß, schlank, allmählich ergrauendes, braunes Haar. Sam!
    Er hatte mir den Rücken zugedreht und unterhielt sich mit einer anderen

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