Gute liegt so nah...
niedliches Hündchen, ein wuscheliger Mischling, der allerdings große schorfige Stellen am Rücken hatte. Kein Hund, der Joe nun unbedingt beeindrucken würde. Im nächsten Käfig befand sich ein Chihuahuamischling, der wie eine Fledermaus ohne Flügel aussah und vor Angst zitterte und pinkelte. Sorry, Kleiner.
Und dann entdeckte ich ihn – meinen Hund. Als warte er auf mich, wedelte er mit dem Schwanz, während er sich auf die Hinterläufe aufrichtete und die Vorderpfoten an die vergitterte Tür legte. Er war weiß mit schwarzen Flecken, Schlappohren und süßen hoffnungsvollen Augen. Er sah aus wie eine Mischung aus Bordercollie und Labrador. Ich hielt seiner neugierig schnüffelnden Schnauze meine Hand hin.
„Hallo Kumpel“, begrüßte ich ihn. Er leckte meine Hand. Gekauft.
Natürlich mussten wir erst einige Zeit im Kennenlern-Raum verbringen, bevor ich meinen neuen besten Freund mitnehmen konnte, aber das war nur noch eine Formalität. Wir hatten uns ineinander verliebt. Ich füllte die Formulare aus und machte noch mehr Geld locker. Eine Stunde, nachdem wir uns kennengelernt hatten, gingen Digger und ich zu meinem Wagen. Der Hund war zwei Jahre alt, also schon ausgewachsen, von freundlichem Wesen, kinderlieb und einfach hinreißend. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang um mich herum und gehörte ab sofort mir.
Er liebte das Auto und war so aufgeregt, dass er prompt auf den Beifahrersitz pinkelte, als wir vom Parkplatz fuhren.
4. KAPITEL
D er nächste Schritt meines Eroberungsfeldzugs war die absolut unerlässliche Runderneuerung, die zwei Zielen diente: erstens natürlich, um für Joe attraktiver zu sein. Und zweitens, um in der Klinik professioneller auszusehen. In Boston war mir mein Aussehen ziemlich egal gewesen. Ich zog mich bequem an und trug einen einfachen Pferdeschwanz, weil das schnell ging. Das wollte ich jetzt ändern. In Zukunft würde ich eigene Patienten haben, und auf die wollte ich selbstbewusst und kompetent wirken. Und selbstverständlich wollte ich auch sexy rüberkommen – Dr. Sexy …
Mein alter Freund Curtis war von Natur aus ein Experte in Sachen Frauenverschönerung – ein schwuler Mann nämlich.
„Ich bin bereit“, erklärte ich, als ich ihn anrief.
„Na Gott sei Dank“, entgegnete er.
Curtis und ich waren seit dem College befreundet. Er stammte aus Nebraska, und ich brachte ihn zu Thanksgiving mit nach Hause, damit er zum ersten Mal im Leben das Meer sehen konnte. Fasziniert hatte er am Strand gestanden und war seitdem nie mehr länger als achtundvierzig Stunden in seinem Heimatstaat gewesen. Wie dem auch sei, er und sein langjähriger Partner Mitchell erklärten sich jedenfalls freudig bereit, meine Stilberatung zu übernehmen. Neben den beiden wirkten sogar manche Heterosexuellen wie Neandertaler: Curtis’ blonde Haare und blaue Augen unterstrichen seinen schelmischen Sinn für Humor, während Mitchells dunkelhaarige, mystische Schönheit und sein vornehmer Akzent auf Geldadel und zu viele Cary-Grant-Filme schließen ließ. Die beiden passten perfekt zusammen, fand ich. Ihre Beziehung war so glücklich, dass man sich darüber eigentlich nur freuen konnte – mal abgesehen von den Idioten, die sie zusammenschlugen, wenn sie sich zu weit von ihrem neuen Zuhause entfernten.
Curtis und Mitch lebten seit dem College in Provincetown, dem Mekka homosexueller Freiheit, grandioser Gärten, hübscher Läden und des köstlichen Essens. Den Jungs gehörte das Pink Peacock. Eine wunderschöne Pension, die bewies, dass die beiden auch etwas von Inneneinrichtung verstanden. Außerdem besaßen sie, ganz dem Klischee entsprechend, einen untrüglichen Geschmack in allen für Frauen wichtigen Belangen, weshalb ich mich bedenkenlos ihrem kundigen Urteil unterwarf.
Also fuhr ich an einem kalten, stürmischen Mittwoch in meinem rasch alternden Honda nach P-town. Die Fahrt über die Route 6, die sich einmal ganz durchs Cape zieht, war herrlich. Ich kam an Kiefernwäldchen und Salzwiesen vorbei, die aussahen wie auf einer Postkarte, und sang dabei aus voller Kehle „Rosalita“ von meinem anderen alten Freund Bruce Springsteen.
Schließlich verließ ich Route 6, fuhr an den schönen Strandhäusern entlang und bog in die schmale Commercial Street ein, in der es links und rechts von Cafés und Galerien wimmelte. So früh in der Saison war es noch kein Problem, einen Parkplatz zu finden, und auch den Friseursalon, den Curtis und Mitch mir empfohlen hatten, entdeckte ich schnell. Die
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