Gute liegt so nah...
ein bisschen und verschwand dann zum Fummeln im Zimmer. Kein Essen im Restaurant, keine Anrufe, keine kleinen Geschenke, höchstens eine E-Mail. Vielleicht ging man mal gemeinsam von der Mensa zurück oder sah sich mit ihm und zehn anderen Freunden am Samstagabend einen Film im Kino an. Vielleicht hätte ich einen Freund auf dem College haben können, schwer zu sagen.
Am begehrenswertesten fühlte ich mich während des Semesters, das ich in Schottland verbrachte. Ich besuchte dort eine Uni in den Highlands, belegte vier einfache Kurse und bekam Wadenmuskeln von den vielen Hügeln. Aus irgendeinem Grund fanden die Schotten meine amerikanische Art anziehend, und ich ließ sie nicht abblitzen. Die standen nicht auf magere, androgyne Calvin-Klein-Schönheiten mit perfekten Zähnen, und so knutschte ich in den dunklen Winkeln der Pubs mit Ians und Ewans und sogar einem Angus, ohne ein einziges Wort von ihnen zu verstehen. Aber wen kümmerte das! Ich kam an! Allerdings erwarteten die Jungs alle, dass ich mich auch wie die angeblich so lockeren Amerikanerinnen benahm und es mit ihnen trieb. Die meisten musste ich mit gebrochenem Herzen zurück auf ihre Schafweiden schicken. Als sich herumgesprochen hatte, dass ich doch nicht so leicht zu haben war, wurde es ohnehin schon fast wieder Zeit für meine Rückkehr in die Vereinigten Staaten. Trotzdem war meine kurze Beliebtheit in den schottischen Highlands herrlich gewesen. Ich vermisste diese muskulösen Schotten.
Wieder daheim, gab es für mich nur noch das Medizinstudium. Wir mussten so viel innerhalb kurzer Zeit lernen, dass überhaupt keine Gelegenheit mehr für Dates blieb. Nur einmal landete ich in panischer Verzweiflung infolge von Müdigkeit, Angst und Koffein mit einem Kommilitonen im Bett, bloß um am nächsten Tag so zu tun, als sei es nie geschehen. Abgesehen davon waren wir dermaßen fertig und müde, dass es praktisch wirklich nicht passiert war.
Weiter ging es mit der erotisch aufregenden Phase als Assistenzärztin. Falls einer meiner Kollegen Zeit für irgendetwas gehabt hätte neben der Arbeit, hätte er lieber vor Erschöpfung geweint oder sich besessen mit der Frage beschäftigt, bei der er während der letzten Visite gepatzt hatte. Wir lernten verbissen, assistierten und sagten uns ständig, dass die Mühe sich eines Tages auszahlen würde.
In meinem dritten Jahr als Assistenzärztin hatte ich etwas mehr Zeit für Dates und dann sogar auch eine sechswöchige Beziehung mit einem sehr netten Neurologen. Aber er nahm eine Stelle in einer Praxis in Cleveland an, und das war’s. Um ehrlich zu sein, machte es mir nicht viel aus. Wir mochten uns, und er war witzig und süß, aber es war nichts im Vergleich zu dem, was ich für Joe empfand.
Und jetzt war ich bereit, mein Leben mit dem Mann zu beginnen, um den sich jeder meiner romantischen Träume drehte. Dank meiner jahrelangen Recherche war ich überzeugt, dass er in mir all das finden würde, wonach auch er sich sein ganzes Leben lang gesehnt hatte … die große Liebe mit der richtigen Frau. Mir. Joes Aussehen konnte einen ganz schön durcheinanderbringen, um es harmlos auszudrücken. Es wäre in etwa so, als würde man mit Brad Pitt ausgehen. Doch dank meiner Jahre als Stalkerin kannte ich die Wahrheit und wusste auch, wie es in Joe Carpenter aussah.
Ich wusste, dass er still und leise Mrs Garrisons Geländer repariert hatte, nachdem sie gestürzt war und sich die Hüfte gebrochen hatte. Durch ein bei der Post belauschtes Gespräch vor einigen Jahren wusste ich außerdem, dass er seiner Schwester regelmäßig Geld schickte, damit sie über die Runden kam. Ich wusste von seinem dreibeinigen Hund, der ihm überall hinterherhumpelte und dem die Liebe zu seinem Herrchen ins Hundegesicht geschrieben stand. Wie oft hatte ich mich an seine netten Worte im Schulbus damals erinnert? Wieder und wieder hatte ich diese Szene in Zeitlupe vor meinem geistigen Auge ablaufen lassen. Natürlich liebte ich ihn!
Und schon bald würde er meine Liebe erwidern.
Meine Zusammenarbeit mit Dr. Whitaker sah vor, dass ich einmal pro Woche seine Hausbesuche im Seniorenheim übernahm. Das Outer Cape Senior Center, kurz OCSC, lag nur eine Meile von meinem Haus entfernt. Jeden Donnerstag sollte ich dort nach Dr. Whitakers Patienten sehen und sie gegebenenfalls behandeln. Dadurch würde ich nicht nur weitere medizinische Erfahrungen sammeln, sondern auch Joe Carpenter zu Gesicht bekommen, der mit der Errichtung eines Anbaus beauftragt
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