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Gute liegt so nah...

Gute liegt so nah...

Titel: Gute liegt so nah... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K Higgins
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erklärt“, entgegnete ich schnippisch – erstaunlich, wie schnell alte Abneigungen aus der Highschoolzeit wieder erwachen konnten. „Donnerstags vertrete ich ihn in Zukunft.“
    „Aha. Tja, und was willst du?“
    „Wie wär’s mit den Patientenunterlagen?“, antwortete ich.
    „Klar. Geh den Gang da runter zum Schwesternzimmer. Da sind die Krankenakten.“
    „Danke“, sagte ich. „Viel Spaß noch bei deiner Fernsehsendung.“ Sie machte ein finsteres Gesicht, und ich musste mir ein Grinsen verkneifen.
    Ich ging den Flur entlang und wurde mir wieder der Tatsache bewusst, dass sich irgendwo hier im Gebäude Joe Carpenter aufhielt. Deshalb zupfte ich diskret an der chronisch platten Stelle in meiner Frisur. Im Schwesternzimmer stellte ich mich den übrigen Mitarbeitern vor, von denen nur eine ausgebildete Pflegeschwester war, und ging eine Stunde lang die Krankenakten durch. Die meisten Patienten litten an typischen Altersbeschwerden: Herz- und Gefäßerkrankungen, Alzheimer, Schlaganfälle, Diabetes.
    Dr. Whitaker untersuchte jeden Patienten mindestens zweimal pro Monat, manche auch einmal in der Woche und machte äußerst gründliche Notizen. Seine Handschrift war erstaunlich gut lesbar. Er hatte eine Liste der Patienten angelegt, die heute untersucht werden mussten, und mir zu jedem Hintergrundinformationen geliefert, wofür ich sehr dankbar war.
    Meine erste Patientin war Mrs Delmonico, die an starkem Übergewicht und Diabetes litt. Ich plauderte ein paar Minuten mit ihr und gratulierte ihr zum jüngsten Urenkel, bevor ich mit der Untersuchung begann. Sie hatte ein leichtes Geschwür infolge der schlechten Durchblutung, und ich wechselte ihren Verband und verschrieb ihr eine Whirlpool-Therapie. Danach war Mrs Walker an der Reihe, eine Demenzpatientin, die dünn war und nicht sprach, sich ansonsten aber bester Gesundheit zu erfreuen schien. Ich überprüfte ihre Donepezil-Dosis und erkundigte mich bei der Schwester nach einer Kunst- oder Haustiertherapie für sie, was bei Alzheimerpatienten gut funktionierte. Mr Hughes, Vater einer Freundin aus meiner Kindheit, zeigte sich streitlustig und wollte nach einer langen Rehabilitation infolge einer Bauchfellentzündung, für die ein geplatzter Blinddarm verantwortlich gewesen war, möglichst rasch nach Hause. Ich versprach ihm, dass ich mit Dr. Whitaker über seine Entlassung reden würde, und erkundigte mich nach seiner Tochter Sandy. Da entschuldigte er sich für seine schlechte Laune und gestand mir, er habe sich nicht vorstellen können, dass ich alt genug war, um Ärztin zu sein.
    Es war wunderbar und genau das, was ich schon immer tun wollte. Bis Mr Glover an die Reihe kam …
    Stephanie half ihm den Gang hinunter bis zu dem kleinen Untersuchungszimmer. Er ging nur leicht gebückt und machte einen ansonsten kräftigen Eindruck. In gewisser Hinsicht wirkte er mit seinem weißen Schnauzbart und dem ordentlich gebügelten Hemd unter einer blauen Strickjacke sogar schneidig.
    „Hallo Mr Glover“, begrüßte ich ihn freundlich.
    „Das ist Dr. Barnes“, erklärte Stephanie laut. „Sie hilft Dr. Whitaker. Ist es in Ordnung, wenn sie Sie untersucht?“
    Mr Glover sah mich an, nickte und kletterte ohne große Mühe auf den Untersuchungstisch.
    „Großartig!“ Stephanie strahlte und verschwand. Vielleicht war ich doch ein bisschen unfreundlich ihr gegenüber gewesen. Mit den alten Leuten konnte sie jedenfalls umgehen, und die Arbeit, die sie hier machte, war gar nicht hoch genug einzuschätzen.
    „Ich werde jetzt Ihr Herz abhorchen“, verkündete ich. Mr Glover reagierte nicht, sondern lächelte nur liebenswürdig. Ich drückte das Stethoskop auf seine Brust und hörte, wie das Blut durch seine Herzkammern rauschte, schwach, aber gleichmäßig. Sein Blutdruck war ausgezeichnet. Ich klopfte ihm auf den Rücken, um seine Lungen abzuhorchen, dann prüfte ich seine Pupillen auf ihre Reaktionsfähigkeit.
    „Scheint alles in bester Ordnung zu sein“, stellte ich fest. „Wie fühlen Sie sich, Mr Glover? Irgendwelche Beschwerden?“
    „Ich fühle mich ziemlich hart“, antwortete er und sah mich mit einem liebenswürdigen Lächeln an.
    „Wie bitte?“
    „Ich bin ziemlich hart“, wiederholte er.
    Unwillkürlich richtete ich den Blick auf seinen Schoß, da ich nicht sicher war, ob er meinte, er sei dort hart. Genau, das meinte er.
    „Tja, also …“ Ich zögerte, weil ich nicht wusste, ob es sich um echte Beschwerden handelte, schließlich war eine

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