Gute liegt so nah...
wegen seiner Anwesenheit im OCSC überrascht tun wollte. „Aber was machst du eigentlich hier, Joe?“ Ich riskierte einen Blick auf seine wundervoll markanten Wangenknochen.
„Ich erledige ein paar Umbauarbeiten. Wusstest du das nicht?“ Er schenkte mir ein weiteres Lächeln, das mir durch und durch ging.
„Nein, davon hatte ich keine Ahnung.“
„Hast du denn meinen Pick-up nicht auf dem Parkplatz gesehen? Ich dachte, du hättest direkt hinter mir geparkt.“ Er zeigte zum Fenster, hinter dem der Parkplatz lag. Mein Wagen stand Stoßstange an Stoßstange mit seinem.
„Natürlich!“, rief ich und wurde schon wieder rot. „Wie blöd von mir.“
„Na ja, dann werden wir uns hier wohl ab und zu über den Weg laufen.“
„Ganz bestimmt, Joe. Pass auf dich auf. Und danke!“ Ich schaute ihm hinterher und genoss den Anblick. Mein Plan funktionierte.
6. KAPITEL
A m ersten April fing ich an, in der Cape Cod Clinic zu arbeiten, einer kleinen ambulanten Einrichtung in Wellfleet, direkt an der Route 6, in einem Einkaufszentrum mit reichlich Parkplätzen. Unsere Nachbarn waren ein T-Shirt-und-Geschenke-Laden, eine Videothek mit Spirituosenladen und ein Restaurant, das ausschließlich Fish and Chips zum Mitnehmen anbot.
Ich sollte Vollzeit in der Klinik arbeiten, aber flexibel. Der andere Arzt und ich konnten die Stunden untereinander absprechen, wie es uns am besten passte; jeder würde eine Schicht ableisten. Die Klinik war von acht Uhr morgens bis zehn Uhr abends geöffnet, also war selbst die Spätschicht nicht so übel. Während der Tagschicht gab es eine Krankenschwester und eine Sekretärin; nach sechs würden nur der jeweilige Arzt und eine Aushilfskraft für den Papierkram und das Telefon da sein. Falls zu viel zu tun war, würde eine zusätzliche Krankenschwester einspringen, und echte Notfälle oder schwerstkranke Patienten würden wir nach Hyannis schicken. Abgesehen von einem Röntgen- und Ultraschallgerät sowie einem Elektrokardiografen besaßen wir keine Ausrüstung.
Ich hatte den anderen Arzt noch nicht kennengelernt, freute mich aber schon darauf, denn während meiner Zeit als Assistenzärztin hatte ich ein paar wirklich gute Freundinnen gefunden. Leider lebte die nächste in Dorchester, wo sie in einem Krankenhaus in der City arbeitete. Hoffentlich würde ich mich mit meinem neuen Kollegen auch gut verstehen.
Die Cape Cod Clinic war genauso lieblos eingerichtet wie Tausende andere Arztpraxen. Im Wartezimmer gab es schlichte blaue Stühle, sechs insgesamt, mit unbequemer Knötchenwolle bezogen, dazu einen sandfarbenen Teppich, blaue Blumendrucke an den Wänden zur Beruhigung der Patienten, die vom grellen Neonlicht gereizt sein würden. In der Mitte stand ein Tisch mit einer künstlichen Blume darauf, und in der Kinderspielecke gab es einen Pappkarton mit gebrauchtem Spielzeug. Dann war da noch der Empfangstresen, an dem die Patienten warten und sich ignorieren lassen mussten, bis sie an der Reihe waren. Und hinter dem Empfangstresen befanden sich die beiden Behandlungsräume, der Röntgenraum und ein Büro. Die Praxis hätte überall in Amerika sein können.
Heute war für den Patientenbetrieb noch nicht geöffnet, dieser Tag diente der Einarbeitung und Orientierung. Da das Cape Cod Hospital offiziell Betreiber der Klinik war, hatten sie eine Repräsentantin geschickt, um uns über Papierkram, Prozeduren und das Protokoll aufzuklären. Die drei Ps, wie sie es am Telefon heiter nannte. Die anderen Mitarbeiter saßen bereits auf ihren Plätzen.
„Sie müssen Dr. Barnes sein“, begrüßte eine attraktive Frau in den Vierzigern mich und streckte mir die Hand entgegen. „Ich bin Juanita Ortiz vom Krankenhaus. Wir haben miteinander telefoniert.“
„Freut mich sehr, Sie kennenzulernen“, sagte ich. Sie trug ein leichtes graues Kostüm mit kurzem, engem Rock, der ihre langen, wohlgeformten Beine betonte. Ein pink-graues Seidentuch schmückte ihren Hals, und ich nahm mir vor, das auch mal auszuprobieren. Ich trug eine gewöhnliche Hose und eine cremefarbene Bluse darüber, um meine fehlende Taille zu kaschieren.
„Dies ist Dr. Balamassarhinarhajhi“, stellte sie mir einen kleinen kahlen Inder unbestimmten Alters vor, wobei ihr die endlosen Silben mühelos über die Lippen kamen. Bala … Bala … Balasin …
„Doktor“, sagte ich und schüttelte ihm die Hand.
„Wie ich hörte, kennen Sie und Mrs Doyle sich“, fuhr Juanita fort und deutete auf die mollige lächelnde Frau neben Dr.
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