Gute liegt so nah...
stand ich wieder auf und ging ins Badezimmer, um mir die Frau anzusehen, die Joe endlich wahrgenommen hatte. Die Frau, die er geküsst hatte. Deren Hand er sogar geküsst hatte. Mein Spiegelbild sah mir lächelnd entgegen. Da war sie, Dr. Millie Barnes, auch bekannt als Joseph Stephen Carpenters Freundin.
Während der nächsten zwei Tage hörte ich überhaupt nicht mehr auf zu grinsen. Ich seufzte verzückt, schwebte durch die Praxis und hoffte, die richtigen Beschwerden bei den richtigen Patienten zu behandeln. Jill und Sienna hatten von dem Baby erfahren und glaubten, das sei der Grund für meine Euphorie. Ich erzählte ihnen nichts von Joe, denn es war einfach zu wundervoll, um es schon mit jemandem zu teilen. Am liebsten hätte ich die Erinnerung an den Samstagabend wie ein Juwel in einem Schmuckkästchen aufbewahrt. Jedes Mal, wenn ich mich an etwas erinnerte, sei es die Berührung unserer Knie unter dem Tisch oder der Kuss, durchströmte mich ein Glücksgefühl. Oh, ich liebte Joe! Und schon bald würde er meine Liebe erwidern.
Montagnachmittag kam ich nach Hause und hörte sofort den Anrufbeantworter ab, da das Lämpchen fröhlich blinkte.
„Hallo, Schätzchen, hier ist Mom.“
Mist. Mein Mut sank. Natürlich nicht, weil ich die Stimme meiner Mutter hörte … aber warum rief er nicht an? Er hatte versprochen, dass er es tun würde, und jetzt war es schon vier Uhr! Wir wollten doch ins Kino! Mit halbem Ohr hörte ich, wie meine Mutter mich in dieser Woche für einen Abend zum Essen bei sich einlud. Krieg dich wieder ein, ermahnte ich mich im Stillen. Wahrscheinlich ist Joe noch nicht einmal von der Arbeit zu Hause. Beruhige dich. Am Samstag hat er dich geküsst, wollte dich am Sonntag schon wieder treffen und hat sich mit dir für Montag verabredet. Er wird anrufen. Er. Wird. Anrufen.
Ich überprüfte, ob das Telefon auch richtig angeschlossen war, nahm es mit hinaus auf die Veranda und schaute Digger dreimal dabei zu, wie er sein Geschäft verrichtete. Wegen seiner überaktiven Verdauung würde ich mich beim Tierarzt erkundigen müssen. Bei unserem ersten Besuch hatte der Tierarzt mir erklärt, Digger sei bloß aufgeregt, und sobald er sich eingelebt hätte, würde er sich nicht mehr so häufig hinhocken. Aber vielleicht lag der Grund woanders. Der Hund war schlank und gesund, deshalb machte ich mir keine großen Sorgen. Trotzdem sollte ich mich darum kümmern.
He, das war gar nicht schlecht – ich hatte einen Gedanken, der sich nicht um Joe drehte! Gut gemacht, lobte ich mich selbst. So ist es richtig, schließlich warst du diejenige, die das entzückende Baby am Strand zur Welt gebracht hat. Zusammen mit Sam.
Bei dieser Erinnerung musste ich an Sam denken und daran, wie Dannys Besuch in New Jersey wohl gewesen war … und wie Sam ohne seinen Sohn klargekommen war. Hatte er das ganze Wochenende allein verbracht? Instinktiv griff ich nach dem Telefon, tadelte mich aber sofort dafür. Was, wenn Joe anzurufen versuchte? Ich wollte auf keinen Fall, dass er das Besetztzeichen hörte.
Ich ging wieder ins Haus und holte mir ein Glas Wasser, um meine Blumenkästen zu gießen. Mal sehen, vielleicht reichte mein Budget ja auch noch für ein paar Gartenmöbel. Momentan besaß ich lediglich zwei Plastikstühle und einen dazu passenden Tisch. Korbmöbel fingen schnell an zu schimmeln in der feuchten Luft auf Cape Cod, also kamen die nicht infrage. Vielleicht etwas Schmiedeeisernes.
Der Wind rauschte in den Kiefern und Krüppeleichen auf meinem Grundstück, und die Wellen rauschten gleichmäßig in der Ferne. Ich vermutete, dass jetzt Hochwasser war. Ich setzte mich und beobachtete, wie ein Rotkehlhüttensänger in dem Vogelhaus verschwand, das ich zusammen mit Danny zu Beginn des Frühlings aufgehängt hatte. Das dunkle Blau seines Gefieders hob sich deutlich vom weißen Haus ab.
Das Telefon klingelte, und ich erschrak dermaßen, dass ich das Selterswasser auf meine Vorderseite schüttete. Zum Glück bist du allein, dachte ich und betrachtete meinen nassen Busen. Dann nahm ich den Hörer ab.
„Hallo Millie, hier ist Joe“, meldete sich die Stimme, die ich liebte.
„Hallo Joe.“ Danke, Gott, fügte ich im Stillen hinzu. „Was machst du so?“, wollte er wissen.
„Ach, ich sitze auf meiner Veranda und beobachtete die Vögel.“ Mir fiel nur die Wahrheit ein.
„Du bist wirklich witzig“, meinte er. „Bleibt es bei heute Abend? Bist du in der Stimmung fürs Kino?“
„Natürlich.“ Erneut fühlte
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